Autoradios:Rauschfrei

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Das Bundeskabinett beschließt eine Digitalradiopflicht für Neuwagen. Das heißt auch: Künftig deutlich mehr Programm bei Autofahrten. Ein Überblick.

Von Stefan Fischer

Autoradios müssen künftig den Empfang digitaler Signale ermöglichen. Darauf hat sich die Bundesregierung diese Woche verständigt. Bundestag und Bundesrat sollen dem Gesetz im Herbst zustimmen. Mit dem Verfahren Vertraute gehen davon aus, dass das Formsache ist - sofern der Ausgang der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen in einem Monat nicht zu einem Ende der aktuellen Regierungskoalition führt.

Für Befürworter der digitalen DAB+-Ausstrahlung von Radio ist die Entscheidung ein wichtiger Schritt. Denn Autoradios sind in Deutschland nach wie vor eine Sonderausstattung, für die Händler mehrere hundert Euro verlangen. Käufer von Neuwagen müssen sich bislang bewusst für ein DAB+-fähiges Gerät entscheiden und dafür tiefer in die Taschen greifen. In Ländern, in denen DAB+ bereits stärker genutzt wird, etwa in der Schweiz und in Großbritannien, hat sich die Situation längst verkehrt: Dort finden Neuwagen keine Käufer, in denen DAB+-Geräte nicht als Standard eingebaut sind.

Anders als im Ausland setzt sich Digitalradio in Deutschland nur schleppend durch

Künftig soll die Möglichkeit zum DAB+-Empfang auch in Deutschland verpflichtend sein, wobei alternative Verbreitungswege zulässig bleiben. Das gilt neben Autoradios für alle neuen Geräte, die den Programmnamen anzeigen können. Ausgenommen sind Geräte, bei denen der Hörfunkempfang eine Nebenfunktion hat, also zum Beispiel Smartphones und Anlagen von Funkamateuren.

In Deutschland setzen sich Digitalradios nur schleppend durch. Laut dem jüngsten Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten verfügt jeder sechste deutsche Haushalt über ein DAB+-fähiges Empfangsgerät. UKW bleibt demnach für die lineare Verbreitung der dominierende Übertragungsweg. IP-Radios, auch Wlan-Radios genannt, gebe es mittlerweile in jedem neunten Haushalt.

Für Irritationen hatte im Juni eine Entscheidung des niedersächsischen Landtags gesorgt, in der sich das Parlament gegen eine weitere öffentliche Finanzierung von DAB+ ausgesprochen hat und lieber auf den neuen Mobilfunkstandard 5G setzen möchte. Das Votum hat keine unmittelbaren Konsequenzen, da einzelne Länder nicht über DAB+ entscheiden können. Kurz zuvor hatte Bayern überdies erklärt, es gäbe kein Zurück mehr von DAB+. Nach wie vor kämpfen einige Veranstalter von Privatradios für die Erhaltung der analogen UKW-Frequenzen. Denn die sind ausgeschöpft, es drohen keine neuen Konkurrenten, die ihnen Werbekunden streitig machen könnten.

In Deutschland sind von den insgesamt 260 Sendern ganze 71 ausschließlich oder zumindest in einigen Regionen über DAB+ zu empfangen. Die erfolgreichen Sender BR Heimat und Deutschlandfunk Nova laufen rein über DAB+, Klassik Radio ist nur in vereinzelten Städten über UKW zu empfangen, jedoch bundesweit über DAB+. Wer ein Digitalradio hat, ist also klar im Vorteil.

Die Bundesregierung setzt mit ihrem Beschluss europäisches in deutsches Recht um und erfüllt auch eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag. "Unser Ziel ist die größere Verbreitung des digitalen Hörfunks, der mit geringeren Frequenzressourcen als UKW auskommt und die Angebotsvielfalt erhöht", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Wobei der Entwurf zur Anpassung des Telekommunikationsgesetzes keinen Übertragungsstandard präferiert. Die Entscheidung zwischen den digital-terrestrischen DAB+-Frequenzen und dem IP-basierten Wlan-Streaming soll demnach dem Markt und den Hörern überlassen werden.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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