Autor der "Game of Thrones"-Vorlage:Schreib, George! Schreib!

'Game Of Thrones' bei RTL II

Daenerys Targaryen mit einem ihrer Drachen in der vierten Staffel von Game of Thrones. Aber die Fans wollen mehr - und setzen George R. R. Martin unter Druck.

(Foto: HBO/dpa/obs)

In diesem Jahr erscheint kein neuer Roman der Fantasy-Reihe "Das Lied von Eis und Feuer" - dafür die fünfte Staffel "Game of Thrones". Überholt die Serie womöglich die Bücher? Autor George R. R. Martin gibt sich mysteriös.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Da saß George R. R. Martin also und wusste nicht so recht, was er tun sollte. Er wollte doch nur die Emmy-Verleihung genießen, doch plötzlich hatte ihm jemand eine Schreibmaschine auf den Schoß gelegt - und von der Bühne brüllte "Weird Al" Yankovic: "Tipp schneller, tipp schneller! Wir brauchen Drehbücher!" Also blickte Martin verblüfft in die Kamera, legte seinen rechten Zeigefinger auf die Taste und drückte ihn vorsichtig nach unten. Yankovic brüllte weiter: "Schreib schneller! Schreib schneller!"

Eine lustige Einlage, gewiss, und doch dürften in diesem Moment nicht wenige Fans der Fantasy-Bücher "Das Lied von Eis und Feuer" und der Fernsehserie Game of Thrones innerlich mitgebrüllt haben: "Schreib, George! Schreib!"

Fünf Bände der Romanvorlage sind bislang erschienen - die ersten drei zwischen August 1996 und November 2000. Der vierte Band kam im November 2005 auf den Markt, der fünfte und bislang letzte ("A Dance with Dragons") im Juli 2011. Kürzlich verkündete Martins Verlag Bantam Books, dass die Veröffentlichung des sechsten Bandes, "The Winds of Winter", nicht für 2015 geplant sei.

Schluss mit Hobbys

Doch die zahlreichen Anhänger sind gespannt - und fordernd: Auf Blogs und Fanseiten verlangen sie, dass Martin seine anderen Projekte doch bitteschön stoppen und seinen Hobbys (Martin ist ein glühender Fan des Footballvereins New York Jets) entsagen möge. Martins Lieblingsaussage ("Es ist fertig, wenn es fertig ist.") wirkt auf den Lesemob ungefähr so besänftigend, wie wenn ein Kleinkind gesagt bekommt, dass es bis zum nächsten Weihnachtsfest noch ein bisschen dauert.

Martin will sich keinesfalls unter Zeitdruck setzen lassen. Das hat auch Auswirkungen auf die Fernsehserie, die sich an den Büchern orientiert und deren vierte Staffel von Dienstag an bei RTL 2 zu sehen ist. Kürzlich verkündete der amerikanische Bezahlsender HBO, dass die fünfte Staffel in den USA am 12. April startet - in dieser Spielzeit bedienen sich die Produzenten auch aus dem jüngsten veröffentlichten Buch "A Dance with Dragons". Was nichts anderes bedeutet als: Schreib, George! Schreib! Wir brauchen Drehbücher!

Scarlett ist nicht gleich Scarlett

Aber die Serie unterscheidet sich von den Büchern, was Martin in einer herrlichen Analogie auf Vom Winde verweht bei der Comic-Con im vergangenen Jahr darlegte: "Scarlett O'Hara hat drei Kinder im Roman von Margaret Mitchell. Sie hat ein Kind im Filmklassiker Vom Winde verweht. Die Wahrheit ist, dass Scarlett O'Hara überhaupt kein Kind hatte - denn sie hat niemals existiert. Sie ist eine fiktive Figur, und es gibt zwei wunderbare Arten, diese Geschichte zu erzählen." Auf sein Universum übertragen sagte er: "Die Show ist die Show, und das Buch ist das Buch."

Nur - und das beunruhigt die Leser der Bücher gerade: Es ist durchaus möglich, dass die Fernsehserie künftig Handlungsstränge aus Martins fiktivem Universum andeutet, die auf Papier noch gar nicht erschienen sind. Grund dafür ist eine Aussage der Showrunner David Benioff und D. B. Weiss: "Wir haben uns mit ihm (Martin; Anm. d. Red.) getroffen und darüber unterhalten, wohin sich das alles entwickeln wird. Wenn du das Ende kennst, dann kannst du das Fundament dafür errichten - also wollten wir wissen, wie das alles ausgehen wird. Wir sind tatsächlich jeden einzelnen Charakter durchgegangen."

Keine Codes mehr, keine Spielchen

Bislang haben die Leser die Fans der Sendung immer milde belächelt. Wenn Letztere über das Schicksal von Ned Stark oder die Ereignisse auf der Roten Hochzeit debattierten, waren den Lesern die Geschichten aus den Büchern längst bekannt. Könnte es nun also passieren, dass die Serie die Bücher überholt - und plötzlich die Zuschauer besser informiert sind? Martin selbst hatte zuletzt immer wieder entsprechende Andeutungen gemacht.

Konkretes gab er zwar nicht preis, sondern verkündete lediglich, beim Erscheinungsdatum des nächsten Buches keine Codes verwenden zu wollen, die seine Fans zu dechiffrieren haben: "Wenn ich fertig bin, dann werde ich sagen, dass ich fertig bin - an welchem Tag das auch immer sein wird. Es wird keine Spielchen geben, weil ich weiß, wie viele Menschen warten und wie gespannt sie sind. Ich arbeite noch immer an Winds. Wenn ich fertig bin, dann werde ich das verkünden."

Er lässt sich nicht unter Druck setzen, weder von Fans noch von seinem Verlag. Kürzlich tauchte ein Manuskript von "A Dance With Dragons" auf, auf dem der Lektor schriftlich eine Vermutung anstellt und Martin fragt, ob diese zutreffe. Die knappe Reaktion des Autors - vermerkt mit rotem Stift: "Nein". Die Fans dürfen also weiter über die Geschehnisse in Westeros und Essos spekulieren. Und sie können nichts anderes tun, als Martin dazu aufzufordern, doch gefälligst schneller zu tippen.

Das tut er natürlich, doch nicht immer geht es dabei um Tyrion Lannister oder Daenerys Targaryen. Vor einer Woche etwa beschwerte er sich heftig über eine Schiedsrichterentscheidung beim Football. "Wenn ich ein Fan der Detroit Lions wäre, dann würde ich nun Zeter und Mordio brüllen", schrieb er auf seinem Blog. Irgendwie schön zu sehen, dass der Mann nicht in einer dunklen Kammer hockt und kurz vor dem Burn-out an den nächsten Kapiteln arbeitet, sondern sein Leben genießt und sich wie alle Sportfans über Schiedsrichter aufregt - so lange er auch weiter an "The Winds of Winter" arbeitet.

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