Süddeutsche Zeitung

ZDF-Film:Der Mann auf dem Parkplatz

Der ZDF-Film "Auf dünnem Eis" beruht auf der wahren Geschichte eines im Winter erfrorenen Obdachlosen - und nimmt sich der schwierigen Frage an: Wie hilft man richtig?

Von Aurelie von Blazekovic

Berliner Winter sind kalt. Die kältesten in den Aufzeichnungen hatten Mitteltemperaturen von minus fünf Grad, dazu kommen Kälterekorde an einzelnen Tagen, wie 1929, als in Berlin-Dahlem minus 26 Grad gemessen wurden. Ähnlich eisig wurde es in einer Februarnacht im Jahr 2012, als in Teilen der Hauptstadt die Temperatur auf minus 24 Grad fiel. Vergangenen Winter zählte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 23 Menschen, die auf Deutschlands Straßen durch Kälte starben.

Im sehr kalten Berliner Winter 2012 war unter ihnen auch ein Obdachloser, den die Fernsehproduzentin Beatrice Kramm kannte. Der ZDF-Film Auf dünnem Eis beruht auf dieser persönlichen Geschichte Kramms. Die Produzentin fand den Mann auf ihrem Autostellplatz, wo er einen geschützten Ort suchte. "Wir haben vergeblich versucht, mit ihm in Kontakt zu treten und ihm Hilfe angeboten - er wollte in Ruhe gelassen werden. Bei Minusgraden um die 15 Grad verstarb der Mann - bis heute wissen wir nichts von ihm", berichtet Kramm. Mit dem Film möchte sie "ihm eine Geschichte geben".

Sie gibt ihm Socken und Kakao, aber auf eine Retterin hat er gar nicht gewartet

Anders als in der Realität ist der Obdachlose im ZDF-Film ein Mann mit Namen: Konrad. Er hat sein Lager auf dem Tiefgaragenstellplatz der Köchin Ira Rosenthal (Julia Koschitz) aufgeschlagen, die ihn eines Abends dort versehentlich anfährt. So beginnt die langsame Annäherung der Frau mit Wohnung, Kind und Arbeit und des Mannes, der nicht viel mehr als einen Hund besitzt. Sie fährt ihn zum Arzt und hält sich im Auto angewidert die Nase zu. Er weigert sich, in eine Notunterkunft zu gehen. Sie gibt ihm Socken, Kakao und eine neue Jacke, und muss sich dafür vor ihrem Ex rechtfertigen.

Konrad, der Obdachlose, erhält im Film also einen Namen, doch seine Geschichte wird auch in der Fiktion (Regie: Sabine Bernardi, Buch: Silke Zertz) nicht schlüssig. Das kann man kritisieren, es ist aber letztlich im Rahmen dessen, was ein ZDF-Fernsehfilm leisten kann, auch wieder stimmig, dass man Konrad eben nur durch Ira kennenlernt. Nur aus der Perspektive einer Frau also, für die er eine erst lästige, dann irgendwie sinnstiftende Randfigur in einem Leben mit genügend anderen Problemen wird.

Doch Konrad hat weder auf eine Retterin gewartet, noch, zur größten Enttäuschung Iras, Interesse an einem Neustart. Obdachlos könne jeder werden, sagt er mal. Dieser Logik folgt Auf dünnem Eis eine Weile lang. Als Ira schließlich ihre Stelle als Köchin verliert, soll das natürlich dafür stehen, wie fragil auch ihr bürgerliches Leben ist. Doch die Sache ist komplizierter, und das lässt der Film nicht aus.

Gespielt von Carlo Ljubek sieht dieser Konrad übrigens nie wirklich wie ein Mensch aus, der auf der Straße lebt, sondern meistens wie ein attraktiver Schauspieler mit gebeugter Haltung und einer mit etwas Staub eingeriebenen Winterjacke aus der aktuellen Saison. Optisch besticht Auf dünnem Eis nicht, aber ein paar gute Momente hat er doch.

"Warum tust du das eigentlich?" fragt Konrad Ira, als sie ihm mal wieder Gutes will. "Damit du wieder verschwindest", antwortet sie scheinbar ironisch. Am Ende ist das aber der ehrlichste Satz, der in diesem Film fällt.

Auf dünnem Eis, ZDF, Montag, 20.15 Uhr.

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