Süddeutsche Zeitung

Serie "Atlantic Crossing":Lockdown im Weißen Haus

Die historische Serie "Atlantic Crossing" erzählt, wie die norwegische Kronprinzessin Märtha den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zum Kriegseintritt überreden wollte.

Von Marlene Knobloch

Wie schnell sich Wind und Welt drehen können, erfährt die norwegische Kronprinzessin Märtha im Jahr 1939 - ein Jahr, in dem sich einiges verändert hat. Eben noch fährt sie in einer gemütlichen Dampflock bei ihrem ersten Besuch in den Vereinigten Staaten durch das Hudson Valley und liebt sich dabei leidenschaftlich mit ihrem Mann Olav, zupft dann die Perlenkette zurecht und antwortet mit den beiden bezaubernden Worten "mein Ehemann" auf die Frage eines Journalisten, was ihr an Amerika am besten gefalle. Ein paar Monate später reist sie wieder nach Amerika, diesmal als Flüchtling versteckt in einem amerikanischen Passagierschiff, gezeichnet von der deutschen Kriegsaggression, von Angriffen mit Wasserminen und der Trennung vom Kronprinzen. Dann sagt sie weniger bezaubernd, dass die Amerikaner Rüstung nach Europa schicken sollen, dass sie raus aus ihrer Neutralität und rein in den tobenden Zweiten Weltkrieg müssen.

Die norwegische Serie Atlantic Crossing erzählt von der historisch belegten Freundschaft der norwegischen Kronprinzessin mit dem US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und ihrem Versuch, Amerika zum aktiven Engagement im Krieg gegen Hitler zu bewegen. Die Drehbuchautoren Alexander Eik und Linda May Kallestein zeichnen dabei ein Bild von der zunächst unbekümmerten, vornehmen Ehefrau, sie wird einfühlsam und mit feinem Julia-Roberts-Lächeln von der schwedischen Schauspielerin Sofia Helin gespielt. Diese Märtha entdeckt dann ihre politische Macht, sie hält Reden - erst nervös, zitternd, nasenblutend, später selbstbewusst, fordernd, nasereckend. Doch sie ist es, die Präsident Roosevelt zu einer langsamen Kursänderung Richtung Europa bewegt.

Über Norwegen in Zeiten deutscher Besatzung und insbesondere der Freundschaft zwischen Roosevelt und Prinzessin Märtha hat man hierzulande noch nicht allzu viel gehört. Erfreulich, dass sich die Serie auch an historische Fakten hält. Etwa, dass die Kronprinzessin und ihre Kinder für eine Zeit im Weißen Haus lebten. Allerdings fallen die Fakten, gerade im letzten Drittel des Achtteilers, dem dramatischen Spannungsbogen der Serienerzählung zum Opfer. Wie stark Norwegen tatsächlich den Kriegseintritt Amerikas beeinflusste, ist kaum zu beweisen. Einige norwegische Kritiker und Historiker reagierten daher auch eher peinlich berührt auf die maßgebliche Rolle, die die Serie ihrem Land für den Zweiten Weltkrieg zuschreibt.

Ein bisschen weniger Action und Dramatik, dafür leisere Töne und historische Genauigkeit hätten Atlantic Crossing auch besser gestanden. Trotzdem macht das Pathos im Oval Office Spaß, nicht zuletzt, weil es sich mit heiteren Szenen im offenen Cabrio mischt. Und neben all den schweren Geigen spielt auch mal eine beschwingte Jazztrompete. Die Geschichte einer Familie, die auf unbestimmte Zeit im Weißen Haus festsitzt, ist dann ja auch tröstliche Lockdown-Unterhaltung. Es gibt auch eine Weihnachtsfolge. Mit Schnee.

Atlantic Crossing, bei Magenta TV.

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