Arte-Serie "Die Frau aus dem Meer":Schwimm oder stirb

Die Frau aus dem Meer Laetitia Casta

Schwimm oder stirb - Theá (Laetitia Casta, r.) holt sich das Mädchen Chloé (Noée Abita).

(Foto: Image et Compagnie)

Für viele geht es nicht gut aus, wenn "Die Frau aus dem Meer" nachts in ihr Boot steigt: Eine Serie zeigt Laetitia Casta als wunderschönes Wasserwesen.

Von Claudia Tieschky

Dieses Wesen, das sich immer wieder auf die Insel schleicht, ist überirdisch schön, so gut wie nicht bekleidet, tropfnass und extrem unheimlich. Es legt lächelnd den Kopf schief, wenn es Witterung aufnimmt, kommt nah heran, bläht die Nasenflügel, um noch genauer zu riechen und behält sein Ziel immer im Auge. "Du bist es", sagt es zu dem Mädchen Chloé, und dann zieht das Wesen es mit sich ins Meer hinunter. Chloé schreit, kämpft um ihr Leben, dabei ist das gar kein Ende, sondern der Anfang von etwas Erstaunlichem, Schönen und Schrecklichen.

Für Männer geht es übrigens nicht so gut aus, wenn Die Frau aus dem Meer um sie herumstreift oder nachts in ihr Boot steigt. Sie enden - bestenfalls nach einem, nun ja, animalischen Liebesakt - auf dem Rücken und starren Auges wie tote Fische oder als Wasserleiche in einer Höhle auf dem Meeresgrund.

Ja, der Zweifel, ob das jetzt doch einfach Kitsch ist oder der nackte Blödsinn, ist gelegentlich da beim Betrachten der sechsteiligen französischen Arte-Serie. Vor allem, wenn die Handlung gegen Ende etwas überraschend ins Öko-Drama abbiegt. Aber dann geht es einem wie den tumben Männern im Fischerdorf: egal, was der Kopf sagt, das Angebot ist üppig und zu verführerisch, um sich ernsthaft dagegen zu wehren. Gaia Guasti und Aurélien Molas, die Serienerfinder, und Regisseur Julien Trousselier inszenieren ihren Mystery-Stoff mit einem hypnotischen Soundtrack und in schönen, gewaltigen Bildern vom archaischen Leben auf der weltabgewandten Insel, von weiten Meeresflächen und dem, was tief darunter ist. Die Unterdrückung einer selbstbestimmten weiblichen Sexualität im Patriarchat ist ein Motiv und die zerstörerische Angst aller vor dem Unbekannten. Mit verwoben sind ein paar starke und bewährte Plots wie der vom Wasserwesen Melusine, von Hexenverfolgung und den gefährdeten Seelen der Seeleute. Natürlich ist es etwas simpel, wenn die Französin Laetitia Casta, die schon lange nicht mehr bloß Model ist, aber immer noch auf Titelseiten von Modemagazinen gefeiert wird, ein Wesen von gefährlich überirdischer Schönheit spielt. Aber was soll man sagen? Es funktioniert.

Überraschenderweise erzählt dann ausgerechnet diese Mystery-Serie wie nebenher eine Coming-of-Age-Geschichte, und zwar in den vorsichtigsten und glaubwürdigsten Bildern seit Langem. Eigentlich ist nämlich Chloé (Noée Abita) die Heldin der Serie, ein verträumter Teenager rätselhafter Herkunft. Sie arbeitet wie die anderen Frauen des Dorfs in der örtlichen Fischfabrik, lebt in einem unordentlichen Wohnwagen neben dem Haus ihrer Pflegeeltern und hat eine beste Freundin, Sabine. Die Zukunft könnte sich so anfühlen wie die Fahrt im offenen Pick-Up über die einsame Küstenstraße: Sabine stellt die Musik laut, zieht im Fahrtwind das Shirt über den Kopf und kreischt vor Begeisterung. Später auf der Strandparty bedrängt ein Junge aus dem Dorf Chloé, er verängstigt sie und ignoriert ihr Nein. Was dann passiert, verstört Chloé tief und tut dem Jungen gar nicht gut. Nennen wir es eine Art Erwachsenwerden.

Die Frau aus dem Meer, Arte, 9. Januar ab 21.10 Uhr und 16. Januar ab 21.05 Uhr jeweils drei Folgen.

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