Süddeutsche Zeitung

Arte-Kurzfilmreihe "Paare":Von der Beziehung angefressen

Es gibt Menschen, die kann man mit dem B-Wort jagen. Die kommen in der Arte-Reihe "Paare" auf ihre Kosten. Beim Therapeuten durchleiden prominente Schauspieler ihre ganz individuellen Beziehungshöllen.

Von Claudia Tieschky

Ein Paar, das im Film auf einem Sofa sitzt, ist nie allein. Die Verhandlung ist öffentlich, auch bekannt als Beziehungsfilm - bestimmt für den Voyeur, der schamlos miterleben darf, wie das Mann/Frau-Ding bei anderen Leuten läuft, ungefähr wie beim Blick zum Nachbartisch im Restaurant. Das Beste ist natürlich: Jeder kann mitreden im Beziehungsfilm. Korrekterweise müsste außerdem eine ganze Reihe von Ahnen mit auf dem Sofa sitzen, Ingmar Bergman, Woody Allen, Harry und Sally und wahrscheinlich sogar Loriot. Da biegen sich dann die Balken und es ergibt fast die Länge einer Wetten, dass...?-Couch.

Die Arte-Kurzfilmreihe von Johann Buchholz, auch Autor und Regisseur der BR-Webserie Mann/Frau, ist so etwas wie die hochbeschleunigte Form des Beziehungsfilms. Statt des ganzen langen Elends maximal fünf Youtube-taugliche Minuten. Hier wurde der Bergman-Clip erfunden. Klingt schön scheußlich, oder?

Es gibt Menschen, die kann man mit dem B-Wort (wie in Be-zie-hung) ganz weit weg jagen. Die kommen hier auf ihre Kosten. Der Titel lautet schließlich nicht "Liebe, Zuneigung, Zärtlichkeit", sondern schlicht Paare. Es geht um die kaum vermeidbare Institution des Zusammenlebens. Die befindet sich hier jeweils schlimm am Krisenpunkt, also beim Therapeuten, weil es ohne Hilfe nicht mehr weitergeht. Es wird ausgepackt, alles muss raus.

Ein ganz außerordentliches Ensemble

Eine Schauspieler-Situation, wie sie besser nicht sein kann, und das wird dazu beigetragen haben, dass sich ein ganz außerordentliches Ensemble zum Kurzauftritt einfindet: Katja Riemann, Heike Makatsch, Elisabeth Schwarz, Samuel Finzi, Sibel Kekili, Christian Ulmen, Melika Foroutan, um nur einige zu nennen. Es sind irre Dialoge aus der Zweier- oder manchmal Dreierhölle.

Neulich im Kino haben sie am Ende der Vorstellung beide geweint, er (Dominique Horwitz) nimmt das gerührt als Zeichen inniger Nähe, sie (Melika Foroutan) weint in Wirklichkeit, weil sie "neben einem Mann sitzt, der Tränen vergießt, wenn zwei animierte Pinguine sich wiederfinden".

"Ich will geil essen, geil ficken, Party machen"

Oder die Sache, wenn irgendwann alle über Kinder und Bausparverträge reden und man selber beides nicht hat. Sie (Katja Riemann mit Rasta-Frisur): "Wenn ich meine Freunde heute ankucke, könnte ich nur kotzen." Das Leben ist kurz, "ich will geil essen, geil ficken, Party machen." Dagegen möchte ihr jüngerer Zahnarzt-Freund (David Kross) lieber mit dem Tandem übern Deich fahren. Oder Kuscheln.

Es läuft immer gleich ab: Vor dem Therapeuten, der nie zu sehen ist, schildert einer von beiden die Lage. Dann kommt der Partner ins Bild, und man merkt schnell, dass hier etwas schwer aus dem Ruder läuft - egal ob es sich um die einst romantische Beziehung, die Versorgungsehe, die schwule Lebensgemeinschaft oder die Affäre handelt. Ja, lieber Zuschauer, alle sind von der Be-zie-hung angefressen, allerdings auf hundertfach unterschiedliche Weise. Und alles hat man schon gehört, gesehen, gelesen. Doch, erst das Klischee macht den B-Film schön.

Aber so kräftig die Filmchen auf Pointe und Gemeinheit getrimmt sind, so wenig sind sie im Grunde beziehungsskeptisch. Zwei, die gerade die Trennung beschlossen haben, geben sich schnell Restlaufzeit. Eine eben noch Gallige legt das Köpfchen schief und himmelt an. So ist das Leben im Clip und manchmal auch im richtigen Leben.

Das alles möchte man Folge für Folge hintereinander wegschlürfen - also keineswegs so sehen, wie Arte es rätselhafterweise sendet. Paare kommt zwei Wochen lang täglich um 19.05 Uhr, aber wer wartet von Tag zu Tag und schaltet immer zur selben Zeit ein? Die Beziehung zum Fernseher, sie war einmal eine große Romanze, aber ganz ehrlich, heute ist das einfach vollkommen unmöglich.

Paare, Arte, zehn Folgen, werktags, 19.05 Uhr.

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SZ vom 02.02.2015/jobr
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