Ingmar Bergman bei Arte:Das magische Theater

Ingmar Bergman bei Arte: Bestürzend aktuell: "Szenen einer Ehe" von Ingmar Bergman.

Bestürzend aktuell: "Szenen einer Ehe" von Ingmar Bergman.

(Foto: ARTE)

"Fanny und Alexander" und "Szenen einer Ehe" - zwei Klassiker von Bergmann in der Arte-Mediathek.

Von Fritz Göttler

Alexander allein zu Haus, damit geht alles los ... Und was für ein Haus das ist - ein großbürgerliches Domizil von der Jahrhundertwende, weite Räume mit schwerem Mobiliar und plüschigen Tapeten und vollgestopft mit Vasen und verspieltem Dekor aller Art und Figuren, die manchmal ein gespenstisches Eigenleben entwickeln können. Von diesem Punkt, aus diesem Haus heraus entwickelt Ingmar Bergman seinen Film Fanny und Alexander, die Geschichte eines Jungen und seiner Schwester und ihrer Familie. Der kleine Alexander setzt eine Pappfigur in ein Puppentheater, dann ruft er nach den anderen, den Bediensteten, der Mutter. Da ist keiner, der ihm antwortet. Für einen Moment scheint er ganz allein.

Ingmar Bergman bei Arte: Die Geschichte eines Jungen, seiner Schwester und ihrer Familie: Bergmans "Fanny und Alexander".

Die Geschichte eines Jungen, seiner Schwester und ihrer Familie: Bergmans "Fanny und Alexander".

(Foto: ARTE)

Fanny und Alexander ist Bergmans große Exkursion in die Kindheit, in jenes Reich zwischen Geborgenheit und Abenteuerlust, wo auch alles vertraute einen Zauber von Unbestimmtheit hat. Der Film entstand 1982, es gibt eine lange Fassung fürs Fernsehen und eine gekürzte, die (auch bei uns) ins Kino kam. In der Arte-Mediathek wird der Film nun präsentiert, zusammen mit der zweiten großen TV-Arbeit Bergmans, die er 1973 drehte, mit Liv Ullmann und Erland Josephson. Es sind die zwei Hauptwerke seiner späten Jahre, in denen viele Momente seiner früheren Filme sich noch mal reflektiert finden, die quälenden, psychotischen wie die heiteren. Dazwischen liegt die traumatische Phase seines Lebens - er wird wegen Steuerhinterziehung an den Pranger gestellt, zum Verhör abgeholt aus einer Theaterprobe, verlässt Schweden, geht nach München, inszeniert am Residenztheater, dreht bei der Bavaria.

In Bergmans TV-Arbeiten reflektieren sich viele seiner früheren Filme

Szenen einer Ehe zeigt eine Trennung, ein Auseinanderleben, eine Scheidung in so vielen minutiösen Windungen und Wendungen, in Details, die gerade heute, fast ein halbes Jahrhundert später, banal sind oder beinahe komisch. Und doch auch bestürzend aktuell weiterhin, vor allem was die Rolle der (Ehe-)Frau angeht. Der Mann ist Professor, er hofft auf eine Berufung an eine ausländische Universität, treibt es mit einer jungen Studentin, würde, als daraus nichts wird, am liebsten wieder in den alten Zustand zurück. Wird gewalttätig. Die Frau öffnet sich aufs Leben, bringt ihre Probleme zu Papier - wenn sie ihrem Mann davon vorliest, schläft der ein. Millionen Eheleute hätten, so heißt es, nachdem sie diesen Film sahen, sich zur Scheidung entschlossen.

Szenen einer Ehe zeigt auch Fanny und Alexander, zwischen opulenten Familienfesten mit rührenden und komischen Familienfiguren und Bediensteten. Fannys und Alexanders Eltern sind Theaterleute, als der Vater stirbt, heiratet die Mutter erneut, den unergründlichen Bischof Vergerus, eine der rätselhaften Figuren Bergmans. Er führt ein lustloses, strenges Regiment in seinem Haus. Alexander ist verzweifelt, ihm erscheint in dieser Verlassenheit der tote Vater.

Es gibt von den Dreharbeiten zu Fanny und Alexander einen Dokumentarfilm, wo man sieht, wie liebevoll und auf jedes Detail bedacht Bergman sich auf die Kindheit wieder einlässt. "Das magische Theater zeigt", schreibt er in seinen Arbeitstagebüchern zu dem Film, "Kinder, die grauenvollen, geheimnisvollen Erlebnissen preisgegeben sind ... Träume, Bangen und Hoffen". Es ist also eine Art Puppentheater. Marionetten, lebendige Figuren und Kinematografie der guten alten, lustigen Art. Auch die Szenen einer Ehe sind mit diesem liebevollen Blick fürs Detail gefertigt, der Bergmans Kino so einzigartig macht, behutsam und unerbittlich zugleich.

Szenen einer Ehe in der Arte Mediathek, Fanny und Alexander ist dort verfügbar ab 24. Dezember.

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