Süddeutsche Zeitung

Arte-Film "Sein gutes Recht":Verfallen lernen

Das Demenz-Drama "Sein gutes Recht" über Angst und späten Mut spart nicht mit Moral. Aber man sieht trotzdem gern zu, wie sich Matthias Habich und Thekla Carola Wied als ehemalige Tanzstundenpartner geben.

Von Christine Dössel

Wieder ein Demenz-Film. Über diese Hirnfresserkrankheit, die uns alle das Fürchten lehrt. In diesem Fall geht es weniger um die Erkrankung selbst - die ist noch in einem Frühstadium - als um ein Folgeproblem: die Betreuung von Demenzpatienten, ihre schrittweise Entmündigung in einem System, das vor Missbrauch nicht sicher ist. Die Protagonisten: älteres Semester. Das Zielpublikum wohl auch.

Man darf sich bei der Arte/ZDF-Koproduktion "Sein gutes Recht" (Buch: Marco Wiersch) mithin auf eine ruhige Gangart einstellen, auf einen Möchtegern-Wohlfühlfilm in gutsituiertem Ambiente, der gerne von einer späten Liebe erzählen würde, wenn nicht ständig die sehr ernsthaften Probleme rund um Max Büttners Lewy-Körper-Demenz dazwischenfunken würden. Da geht der Puls dann schon mal höher.

Es beginnt damit, dass sich die Jugendfreunde Max Büttner (Matthias Habich) und Leni Schönwald (Thekla Carola Wied) zufällig wieder begegnen. Beide um die 70, beide alleinstehend. Einst waren sie ein Tanzstunden-Paar und wohl ganz schön verliebt. Jetzt knüpfen sie im Wiegeschritt - "Cha Cha Cha" - beim Senioren-Tanz an die alten Zeiten an. Blöd nur, dass Max diese gelegentlichen Aussetzer und Angstattacken hat. Er wurde deswegen per Gerichtsbeschluss unter Teilbetreuung gestellt, die Nachbarn haben das veranlasst. Der betreuende Anwalt heißt Schallings (Götz Schubert) und hat einen verdächtigen Schnauzer. Er ist der Böse in dem Film, oder wie die widerstandsfähige Leni es formuliert: "Sie sind ein Arschloch!"

Keine Herzinfarkgefahr

Erst kommt Schallings seinen Betreuerpflichten nur höchst ungenügend nach, dann lässt er Max in ein Heim einweisen, um schließlich - Gipfel des Entmündigungs-Horrors - dessen schöne Villa zu verkaufen. Aber der fies sich bereichernde Anwalt und die ihn betonköpfig flankierende Richterin (Ulrike Krumbiegel) haben die Rechnung ohne Leni gemacht.

Die ist bei Thekla Carola Wied ein echter Kumpel, eine sympathische Kämpferin, die über hilfreiche Rechenkünste verfügt und sich nicht kleinkriegen lässt. Sogar die Versöhnung zwischen Max und seinem schwulen Sohn (Martin Lindow) kriegt sie hin. Und wenn Habichs interessant verwitterter Max sich störrisch gibt, nicht wollend, dass sie seinen "Verfall" begleitet, sagt sie patent: "Verfallen? Das gilt doch auch für mich. Verfallen müssen wir halt lernen."

Man sieht den beiden ganz gerne zu. Wie es die unaufgeregte, zum Teil etwas betuliche Regie von Grimme-Preisträgerin Isabel Kleefeld ("Arnies Welt") ohnehin schafft, Glaubwürdigkeit obwalten und trotz des diskurslastigen Handlungsgangs keine Langeweile aufkommen zu lassen. Man muss sich zwischendurch ganz schön aufregen über die juristisch-bürokratischen Machenschaften und Ungerechtigkeiten, die da ablaufen. Aber keine Sorge: Herzinfarktgefahr ist nicht gegeben, davor hat die didaktische deutsche Fernsehdramaturgie ein Happy End vor Gericht samt hochmoralischem Schlussplädoyer der tapferen Leni gesetzt. Zum allseitigen Abnicken.

Sein gutes Recht, Arte, 20.15 Uhr

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SZ vom 07.11.2014/cag
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