Arte-Film:Och nö, Hamlet!

Arte-Film: Im Tode für immer vereint: Romeo (Burak Yigit) und Julia (Carolyn Genzkow).

Im Tode für immer vereint: Romeo (Burak Yigit) und Julia (Carolyn Genzkow).

(Foto: Clemens Baumeister/ZDF)

Puck dealt mit Drogen, Romeo und Julia nehmen zu viel davon und Beatrice lästert über alle: Bei Arte ballern sich Shakespeare-Figuren in Berlin zu.

Von Christine Dössel

Der große William Shakespeare starb vor 400 Jahren, aber wenn er noch leben würde, wo würde er seine Figuren heute ansiedeln? In einem Berliner Szeneschuppen mit hohem Drogen- und Promi-Aufkommen, ist ja wohl klar, sagten sich Achim Bornhak und seine vier Drehbuch-Mitstreiter, weil sich sogenannte Kreativteams im deutschen Fernsehen ja offenbar kein Leben außerhalb ihres Berlin-Mitte-Kosmos vorstellen können. Also lassen sie ihren Film Shakespeares letzte Runde, bei dem Bornhak auch Regie führt, in einem Berliner Fresstempel namens "The Globe" spielen, betrieben von einem Will, um dort einigen der bekanntesten Figuren aus Shakespeares Dramen eine hippe Gegenwartsbühne für exaltierte Auftritte zu bieten.

Es beginnt vielversprechend - solange man noch nicht weiß, in welch alberne Banalität das alles führt. Ein fiebriger Trommelrhythmus treibt den Film an, noch dazu ist der Bildschirm gedrittelt, so dass man mehrere Szenen und Räume gleichzeitig sieht, alles sehr beiläufig, etwas verwackelt, unterspielt. In dem feudalen Promirestaurant - herrschaftlicher Treppenaufgang, Marmor, Räume mit Stuck und Kerzenlicht - herrscht hektische Betriebsamkeit. Helmut Dietls Rossini scheint Pate gestanden zu haben. Es ist Valentinstag, eine illustre Gästeschar wird erwartet, noch weiß niemand, dass der Laden schließen und es der letzte Abend sein wird. Oberkellner Zettel (Jörn Hentschel) stößt im Weinkeller auf einen Eindringling, der wie Rainer Werner Fassbinder aussieht und auch so säuft. Es ist Falstaff (Heiko Pinkowski), nur ohne lustige Weiber, er wird fortan als räudiger Beobachter an der Bar abhängen, hinter der Rosenkranz und Güldenstern bedienen. Der erste Gast auf der Matte ist ein junger Hipster mit Strickmütze: "Och nö, Hamlet, du bist viel zu früh!" Hamlet wird dann ganz allein am Tisch sitzen, lesen und später allenfalls mal einen Amaretto bestellen.

Bald ist das Prinzip klar: Es sind Shakespeare-Charaktere - beziehungsweise deren platteste Klischees und Abziehbilder -, die da nach und nach aufkreuzen und sich zuballern. Alles Wichtigtuer, Junkies, Kotzbrocken. Othello zum Beispiel: ein Waffenhändler. Er rastet aus, als Desdemona am Nebentisch Selfies macht. Auch der frisch zum Minister gekürte Macbeth und seine Lady sind da: Er hat, von Schlaflosigkeit gemartert, blutige Visionen, sie holt ihm auf dem Klo einen runter. An einem anderen Tisch sitzen Oberon (Reiner Schöne) und Titania (Iris Berben) und ihr Gefolge aus dem Sommernachtstraum: eitle Fatzkes aus der Filmbranche. Puck dealt mit Drogen, Romeo und Julia nehmen zu viel davon (Foto), und das Fotokünstler-Team Wie es euch gefällt lässt ekstatisch die Hüllen fallen. Szenen ohne Sinn und Zusammenhang. Beatrice aus Viel Lärm um nichts kommentiert den Tumult mit spitzer Lästerzunge.

Apropos Viel Lärm um nichts: Um 20.15 Uhr zeigt Arte am Mittwoch Kenneth Branaghs so geist- wie temporeiche Verfilmung der Komödie. Unbedingt sehenswert! Erst danach bringt die (ziemlich prominent besetzte) Berliner Szene-Runde Shakespeare auf den Hund. Arte nennt es einen "Theaterfilm".

Shakespeares letzte Runde, Arte, Mittwoch, 22 Uhr.

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