"Das ist die Akropolis. Sie ist sehr schön", sagt Kasswara. Er steht auf einem Hügel in Athen und zeigt auf den Parthenon. Kasswara ist 16 und lebt seit einem Jahr in Griechenland. Davor war er für zwei Jahre beim IS - jener Terrororganisation, die innerhalb dieser Zeitspanne Teile der mindestens ebenso bedeutenden antiken Stadt Palmyra systematisch zerstört hat.
Der Dokumentarfilm Ashbal, die Kindersoldaten der Terrormiliz von Thomas Dandois und François-Xavier Trégan erzählt die Geschichte von Kasswara und von Moussa und Youssef und von anderen Kindersoldaten des Islamischen Staats: "Ashbal" werden sie genannt - "junge Löwen". Sie werden in Trainingslagern ausgebildet und von klein auf mit den Grausamkeiten der Miliz vertraut gemacht, bis Abschlachten und Enthauptungen zur Normalität werden. "Sie haben sich an unerträgliche Szenen gewöhnt" sagt Omar, ein ehemaliger Ausbilder des IS, der in einem dunklen Raum befragt wird. Der ganze Film ist dunkel, genauso wie dieses finstere syrische Kapitel in der Weltgeschichte.
Irak:IS sprengt Moschee in der Baghdadi das Kalifat ausgerufen hatte
Es war das Symbol des Triumphes: Die Eroberung Mossuls und die Ausrufung des Kalifats in der Al-Nuri-Moschee. Die irakische Armee hält die Sprengung der Moschee für ein Zeichen der Kapitulation.
Die Brüder Moussa, 12, und Youssef, 9, erzählen von ihrer Gehirnwäsche. Sie waren in einem Ausbildungslager des IS. Man sagte ihnen, "es würde im Paradies auch Spielzeug, Autos und Computer geben - alles was man will." Man gab ihnen Gewehre, lehrte sie im Umgang mit Waffen und Sprengstoff. Schockierend detailliert können die Jungs die Bedienung einer Maschinenpistole und den Ablauf einer Hinrichtung erklären. In vom IS kontrollierten Gebieten werden die Kinder mit Propaganda beeinflusst und gehen meist freiwillig zur Miliz. Wenn sich die Familie dagegen zu wehren versucht, werden sie gefoltert oder getötet - je nach Lust und Laune der zuständigen Terroristen.
In Propagandavideos lässt der IS Gefangene von Kindern hinrichten
Souhayb Deri, ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee, erkundigt sich beim Kamerateam, ob sein Gesicht auch wirklich verdeckt sei. Vollständige Gesichter sieht man nirgendwo im Film, genauso wie man nur verfremdete Stimmen hört - die Gefahr der Verfolgung ist zu hoch. Stattdessen sieht man Silhouetten oder Hände. Hände, die sich frei bewegen und doch nicht frei sind: Denn auch die Kinder, denen die Flucht irgendwie gelungen ist, können den Wahnsinn nicht stoppen; einer der Befreiten hat drei Brüder, die vom IS beeinflusst werden. Helfen kann er ihnen nicht.
Deri kämpft gegen den IS. Moussa und Youssef sind früher bei ihm aufgewachsen, deshalb befreite er die beiden und brachte sie ins Ausland. Doch diese Hilfe kann er wohl nicht jedem leisten. Er zeigt ein Video auf seinem Handy. Ein vier Jahre altes Kind bekommt eine geladene Pistole in die Hand gedrückt und tötet einen gefesselten Mann - ein Propagandafilm der Islamisten. "Wenn ich diesem Kind begegne, töte ich es", sagt er. Die Filmemacher zeigen alles, ohne zu kommentieren. Die Aussage Deris ist erschreckend, er erklärt sie so: Wenn er das Kind am Leben ließe, würde es irgendwann "große Probleme machen".
Die Dokumentation beginnt und endet mit Kindern, die malen. Malende Kinder, die einst beim IS waren. Optimismus für die Zukunft verbreitet der Film zwar nicht, doch er erinnert daran, dass der IS zwar aus Terroristen besteht - aber manche von ihnen Kinder sind.
Ashbal, die Kindersoldaten der Terrormiliz, Arte, 21.15 Uhr. Hier gibt es den Trailer zum Film.