Arte-Doku über selbsternannte Krebs-Heiler:Blindes Vertrauen in Scharlatane

Arte-Doku "Krebs: Das Geschäft mit der Angst"

Undercover-Recherche: Mit zum Teil abstrusen Methoden wollen alternative "Heiler" Krebs bekämpfen.

(Foto: SWR)

Die Schulmedizin bringt Krebspatienten oft an ihre Grenzen. Eine Arte-Dokumentation deckt auf, wie Alternativmediziner und Wunderheiler diese Situationen ausnutzen.

Von Kathrin Zinkant

Die meisten Menschen verbinden mit Krebs einen nahen, extrem leidvollen Tod. Und obwohl die Realität heute oft anders aussieht und immer mehr Patienten die Krankheit überwinden können, bleibt die Therapie eine Folter. Viele Betroffene fühlen sich nach der ersten Behandlung, als würden sie bereits sterben. Und manche sind nach der ersten Tortur von Operation, Chemotherapie und Bestrahlung nicht mehr bereit, den Kampf mit diesen brutalen Mitteln fortzusetzen. Wie im Fall von Irit Lauven.

Die Deutsche wohnt in Australien, genießt das Leben. Dann bekommt sie Brustkrebs - mit Anfang 30. Sie will weiterleben, macht das komplette Programm durch, sie kotzt, leidet. Am Ende der Tortur schwört sie, trotz des medizinischen Erfolgs, diese Strapaze nie wieder mitzumachen. Nie wieder. Vier Jahre später kehrt der Krebs zurück und stellt ihren Schwur auf die Probe.

Die Arte-Dokumentation "Krebs: Das Geschäft mit der Angst" zeigt, wie sich Irit und andere Menschen in dieser Situation für einen Weg jenseits der Schulmedizin entscheiden und ihr Schicksal in die Hände von Alternativmedizinern und selbsternannten Heilern legen. Gerade in Deutschland genießen deren Praktiken großes Vertrauen, jeder Vierte glaubt an Wunderheiler und unerklärbare Phänomene.

Not schafft Vertrauen

Arte-Doku "Krebs: Das Geschäft mit der Angst"

Strom gegen Krebs - eine trügerische Hoffnung.

(Foto: ; SWR)

Im Fall von Irit ist es ein Mann aus Köln, der behauptet, er könne ihre Krebszellen mit schwachem Gleichstrom vernichten. Für die Wirksamkeit dieser "Galvanotherapie" gibt es keinerlei Belege. Doch Not schafft Vertrauen. Blindes Vertrauen.

Die Eltern der mittlerweile verstorbenen Irit sollten sich später fragen, warum sie die Sache nicht durchschauen wollen. Als sie beim Heiler und in der anhängigen Radiologiepraxis cash bezahlen müssen. Und als es der Tochter immer schlechter geht, obwohl die Galvanotherapie nach Aussage des Heilers wirkt und den Krebs stoppt. Irit macht weiter, bis es nicht mehr geht und die Familie ein öffentliches Krankenhaus aufsucht. Ein einziges Röntgenbild gibt die Wahrheit preis: Sie hat jede Chance versäumt, ihren Krebs zu besiegen. Ihr Körper ist voller Metastasen.

"Es war wie eine Sucht"

Die Kölner Wissenschaftsjournalistin Claudia Ruby hat für ihren Film in Praxen verdeckt recherchiert. Hat Betroffene, Angehörige in Deutschland und Frankreich aufgesucht und verschiedene Verfahren unter die Lupe genommen, von Handauflegen bis hin zur Neuen Germanischen Medizin und deren französischem Ableger, der Biologie Totale.

Es ist nicht der erste Anlauf, dem Phänomen der Krebs-Scharlatane auf die Spur zu kommen: Der Stern hat erst im vergangenen Jahr eine Undercover-Recherche in 20 deutschen Heil- und Arztpraxen mit alternativen Krebstherapien veröffentlicht. Doch "Das Geschäft mit der Angst" fokussiert weniger auf die absurden Methoden, mit denen alternative Ärzte und Heilpraktiker Patienten das Geld aus der Tasche ziehen. Dass vorgeblich "intelligente" Ströme, Kaffee-Einläufe und Anti-Krebs-Musik keine Tumore wegschmelzen, ist vielen Zuschauern wohl ohnehin klar.

Was aber bringt intelligente Menschen dazu, ihr Leben solchen obskuren Therapeuten und Therapien anzuvertrauen? Warum folgen sie einem Betrüger, wenn der Betrug längst offenkundig ist? Warum entfernen sich Kranke in ihrer leidvollen Situation lieber von ihrer Frau, als von den leeren Versprechen einer Biologie Totale? Was enthält ihnen die Schulmedizin vor, die letztlich doch die besten Chancen auf Heilung bietet?

Die Schulmedizin bekommt ihr Fett weg

Angst und Verzweiflung treiben die Patienten an, auch die Enttäuschung über die fehlende Fürsorge in den Krankenhäusern spielt eine Rolle, das macht die Produktion der Kölner TV-Firma Längengrad sehr deutlich. Die Schulmedizin bekommt ihr Fett weg, denn anders, rücksichtsvoller, schonender ginge es allemal. Doch im Film wird auch klar, dass Patienten auch abhängig werden können von ihren Heilern. "Es war wie eine Sucht", sagt die Ehefrau eines Betroffenen.

Irit schreibt nach der Offenbarung ihres Zustands im Krankenhaus einen verzweifelten Brief an ihren Heiler. Er hat sie um Lebenszeit, wenn nicht sogar ums Überleben gebracht - des Geldes wegen. Beweisen kann sie das allerdings nicht. Und dann geht Irit wieder hin. Sie lässt sich weiter von diesem Mann behandeln. Bis zum bitteren Ende.

Krebs: Das Geschäft mit der Angst, Arte, 22.10 Uhr

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