Arte-Doku über Klaus Barbie:Warum der "Schlächter von Lyon" unbehelligt blieb

Lesezeit: 2 Min.

Klaus Barbie vor einem Gericht in Lyon, Frankreich (Archivbild von 1987) (Foto: REUTERS)

US-Geheimdienst, Militärregime, und auch der BND - sie alle schützten den NS-Verbrecher Klaus Barbie vor der Strafverfolgung. Eine Arte-Doku rückt nun jene Männer in den Mittelpunkt, die mithalfen, ihn zur Rechenschaft zu ziehen.

Von Willi Winkler

Es ist nur ein kleiner Film, keine Stunde lang, er hat keine nacherzählbare Handlung, viel enthüllt wird auch nicht, aber er bietet einen aufschlussreichen Blick nicht bloß in die Zeitgeschichte, sondern ins aktuelle politische Geschäft. Es geht um Klaus Barbie.

Das ist - Achtung, Geschichtsstunde! - der alte Mann, der 1987 vor einem Gericht in Lyon wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Barbie war aber nicht immer ein alter Mann, auch er war mal jung, war in der SS und bei der deutschen Besetzung Frankreichs so schlagkräftig, dass er sich den Zunamen "Schlächter von Lyon" erwarb.

Nach Kriegsende wurde er vom amerikanischen Geheimdienst angeworben. Frankreich verurteilte ihn in Abwesenheit drei Mal zum Tod. Barbie war jedoch unabkömmlich; er musste in Schwaben und Württemberg Kommunisten ausheben. Als die Nachfragen der französischen Kollegen dringlicher wurden, verschifften ihn seine Auftraggeber nach Südamerika.

Zwei Männer im Zentrum

In Bolivien verwandelte sich Klaus Barbie in Klaus Altmann, diente den wechselnden Militärregimes in Bolivien, aber vorübergehend auch dem Bundesnachrichtendienst. Erst 1983 wurde er nach Frankreich ausgeliefert und in jenes Lyoner Gefängnis verbracht, in dem er den Résistance-Kämpfer Jean Moulin hatte foltern lassen.

Die Verdienste der Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld und ihres Mannes Serge um die Ergreifung Barbies sind gar nicht genug zu rühmen, aber in diesem Film stehen zwei andere Männer im Zentrum: der ehemalige Guerillero Régis Debray, der einmal versucht hatte, Barbie zu entführen, und Robert Badinter, François Mitterrands Justizminister, der für die Abschaffung der Todesstrafe gekämpft hatte.

Während des Barbie-Prozesses entdeckt er, dass auch sein Vater zu den Menschen gehörte, die auf Barbies Befehl deportiert worden waren. Plötzlich wird ihm bewusst, dass es dieser Barbie sein wird, der als erster von der Abschaffung der Todesstrafe profitiert. Als Dialektiker erkennt Badinter, dass vor allem die Gräueltaten Barbies der Grund waren, für die Abschaffung der inhumanen Bestrafung zu kämpfen. Dass es der SS-Mörder Barbie war, der diese Liberalisierung ungewollt bewirkt hat, ist für Badinter ein Triumph des humanen Rechts. Der Schlächter profitiert, aber gewonnen hat das Recht.

Ungewollt Beförderer eines humanen Rechts: Kriegsverbrecher Barbie. (Foto: Sicle Productions)

Régis Debray wurde unter Mitterrand im Élysée ein einflussreicher Berater und konnte den Präsidenten bewegen, sich für die Auslieferung Barbies zu verwenden. Die gewaltsame Entführung des Nazis aus Bolivien war zehn Jahre zuvor gescheitert; Debrays Kampfgefährtin Monika Ertl wurde dafür aus Rache von Barbies Leuten umgebracht. Debray widmete ihr ein Buch, das seine Abkehr von der revolutionären in die politische Aktion anzeigt - "diese allzu vernünftige Rede, die sie vielleicht zu Recht nicht hätte anhören wollen". Politik geht anders und ist manchmal die bessere Idee.

Wie Politik und Diplomatie funktionieren

Am 1. Oktober 1982, neun Tage vor dem Wahlsieg der demokratischen Linken in Bolivien, war in Bonn Helmut Kohl vom Bundestag zum Kanzler gewählt worden. Im Januar wollte er sich durch eine vorgezogene allgemeine Wahl bestätigen lassen. Hellmut Hoff, damals der westdeutsche Botschafter in La Paz, erklärt mit einem Satz, wie Politik und Diplomatie funktionieren. Man habe die bolivianische Regierung wissen lassen, sagt der Botschafter, "dass wir es für vorteilhafter hielten", wenn Barbie nach Frankreich käme. Denn eine längere Debatte über die Behandlung oder vielmehr die Schonung von deutschen Kriegsverbrechern konnte die neue Regierung in der Bundesrepublik nicht brauchen.

Barbie kam also ins sozialistische Frankreich, das, wie die CIA, Barbies alter Auftraggeber, sehr genau wusste, zwei Transall-Maschinen voller Waffen und militärischer Ausrüstung an die sozialistische Regierung in Bolivien lieferte. Als Barbie in Französisch-Guayana gelandet war, starteten die Flugzeuge in die Gegenrichtung.

Es ist Zeit, die ganze Geschichte zu erzählen. Operation Barbie ist immerhin ein Anfang.

Operation Barbie: Kuhhandel. Staatsaffäre . Arte, 21.45 Uhr.

© SZ vom 10.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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