Süddeutsche Zeitung

Arte-Doku über Nonnen:Missbraucht im Namen des Herrn

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Arte widmet sich der sexuellen Gewalt gegen Nonnen. Man kann dem Film Schwächen vorwerfen, aber eines überwiegt: Das Schweigen ist gebrochen.

Von Matthias Drobinski

Die Geschichten sind erschütternd, verstörend, empörend. Da ist Doris Wagner, die sich einer geistlichen Bewegung anschließt - und erzählt, wie sie dann von einem Ordensgeistlichen geistlich und dann auch körperlich missbraucht wird. Da ist Michele-Franc, die berichtet, wie ein Pater, der in ihrem Orden als Heiliger galt, sie bei jeder Begegnung stärker und unangenehmer bedrängte - und dies als Ausdruck der Liebe Gottes darstellte. Sie floh in eine andere Gemeinschaft, doch da wartete der nächste Vergewaltiger, der charismatische Gründer der Gemeinschaft, der sich reihenweise die Frauen gefügig machte. Da sind die jungen Frauen aus Afrika, viele aus armen Familien, die ihre Ordensoberen an die Geistlichen mehr oder weniger verkaufen - und die verstoßen werden, wenn sie schwanger sind, oder zur Abtreibung gezwungen.

Zwei Jahre lang suchten die Dokumentarfilmer Eric Quintin und Jean Marie Raimbault Ordensfrauen, denen von Priestern sexuelle Gewalt angetan wurde. Sie fanden sie in Frankreich und Deutschland, in Italien, Kanada und Kamerun - der Missbrauch von Nonnen geschieht weltweit. Die Methoden der Täter mögen sich von Region zu Region unterscheiden: In Europa und Kanada machten die Priester die Frauen häufig seelisch von sich abhängig, als geistliche Begleiter und Beichtväter, ehe sie zur Tat schritten. In ärmeren Ländern brauchte es solche Tarnungen und Umwege oft gar nicht, es florierte der Menschenhandel im Namen des Herrn. Die Grundkonstellation war überall gleich: Eine Nonne ist demütig und gehorsam, ein Priester der Gesandte Gottes. Die Täter nutzten das gnadenlos aus, rechtfertigten sich pseudotheologisch, bildeten gar Schüler aus. Vor 20 Jahren schon gab es erste Berichte über die Gewalt - doch sie wurde weiter vertuscht, die Frauen blieben allein. Erst Anfang Februar hat Papst Franziskus den Skandal offiziell zugegeben.

Diese Entwicklung haben die Autoren offenbar nicht mehr einarbeiten können. Die größere Schwäche des Films ist aber, wie er phasenweise von Betroffener zu Betroffener hastet. Noch schlechter ist die verfehlte Metaphorik: Die Frauen werden in stilisierte Beichtstühle gesetzt, als hätten sie was zu gestehen. Es donnert aus finsteren Wolken, pausenlos grollen die Töne, als käme gleich der Weiße Hai um die Ecke. Hätte man nicht einfach die Frauen reden lassen können? Wie eindrucksvoll das werden kann, hat das BR-Gespräch zwischen der ehemaligen Nonne Doris Wagner und dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn gezeigt. Die Stärke des Films aber überwiegt: Das Schweigen ist gebrochen.

Gottes missbrauchte Dienerinnen , Arte, 5. März, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2019
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