Armin Laschet bei "Anne Will":Alle gegen Armin

Anne Will; Armin Laschet zu gast bei Anne Will, 09.05.2021

"Kann die Union noch Kanzleramt?" Das will Anne Will von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet persönlich wissen - und stichelt mit Söder-Vergleichen.

(Foto: Wolfgang Borrs/NDR)

Der Kanzlerkandidat ist bei "Anne Will" zu Gast - ohne Ideen. Klima-Aktivistin Neubauer wirft Maaßen das Verbreiten antisemitischer Schriften vor - ohne Belege. Die Moderatorin interessiert sich vor allem für einen, der gar nicht da ist: Söder.

Von Jana Stegemann

Die ersten 15 Minuten der Sendung geht es trotz vier realer Talkshow-Gäste um jemanden, der gar nicht im Studio ist. Und das, obwohl Anne Will sogar den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet neben sich sitzen hat. Nicht den "Fast-Kanzlerkandidaten", wie Markus Söder gleichzeitig in der Livesendung von Bild anmoderiert wird. Es wäre für die Moderatorin möglich gewesen, mit Armin Laschet direkt in medias res zu gehen. Anne Will arbeitete sich aber lieber quälende Sendezeit lang an dem Thema ab, das nun wirklich aus jeder Facette bekannt ist: den Machtkampf um die Kanzlerkandidatur. "Erweist es sich als Fehler, dass die Union mit Ihnen und nicht mit Markus Söder antritt?"

Als Zuschauerin wünscht man sich für einen kurzen Moment, Laschet hätte unvermittelt "Ja" gesagt. Dann hätte Will endlich zu Bild-Live schalten, mit Söder direkt sprechen können. Dieser grüßte per Videoschalte aus seinem Nürnberger Büro, hinter sich einen weißen Porzellan-Löwen mit Rautenflagge und ein Schild mit der Aufschrift "It CAN be done".

Doch es kommt anders, Armin Laschet lächelt sein beseeltes Lächeln, erinnert an seinen überraschenden Wahlsieg 2017 gegen die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und sagt das, was er immer auf die Fragen nach Markus Söder und miesen Umfragewerten sagt: "Ich habe schon viele Umfragen erlebt." Und: "Lassen Sie uns in den Wettstreit der Ideen eintreten." Ja, bitte!

Doch Anne Will hat sich festgebissen an dem bayerischen Ministerpräsidenten, der gar nicht Gast in ihrer Sendung ist. Blick rüber zum Second Screen am Tablet, was macht Söder im Boulevard-TV? Der wird von Bild-Vize Paul Ronzheimer gefragt, ob er "schon wieder den Grill angeworfen hat". Nein, habe er nicht.

Laschet lächelt alles weg - wie ein Glücksbärchi

Laschet schaut in der ARD unterdessen lächelnd Anne Will an und sagt: "Ich verstehe, dass Sie Freude an Markus Söder haben."

Die Moderatorin lässt nicht locker, versucht den CDU-Chef als "Hinterzimmer-Kandidaten" zu provozieren, das "Macher-Image" von, na klar, Söder zu preisen, die Kanzlerinnen-Schelte von Ende März aufzuwärmen - doch Armin Laschet hat nach seinem verunglückten Talkshow-Auftritt bei Markus Lanz vor einigen Wochen offensichtlich dazugelernt. Wenn er genervt ist von den ewigen Söder-Vergleichen, und das wäre nur verständlich, so lässt er es sich nicht anmerken. Laschet lächelt die Fragen weg wie ein Glücksbärchi, das einen Regenbogen hinunterrutscht.

"Von Corona-Krise bis Klimapolitik - kann die Union noch Kanzleramt?" lautete das Thema der Sendung und, Achtung Spoiler, die Frage wurde nicht beantwortet. Wie auch, das Setting der Sendung war weniger Talkrunde, eher "Alle gegen Armin". Natürlich, der Mann bewirbt sich für das wichtigste Amt des Landes, da ist die Zeit für Samthandschuhe vorbei. Anne Will bemüht sich hartnäckig, dem NRW-Ministerpräsidenten nur eine einzige konkrete Idee zu entlocken. "Europa steht vor riesigen Aufgaben", sagt Laschet. Wer Deutschland führen will, brauche Verständnis für globale und europäische Entscheidungsprozesse: "Bei allem was nach der Krise kommt, wird das wichtig sein."

Inhalte? Laschet vertröstet auf Juni

Anne Will möchte jetzt wissen: "Wofür steht das Team Laschet? Sie haben bisher keine Themen präsentiert. Bislang kennen wir nur Friedrich Merz." Den Sauerländer und Ex-Konkurrenten um das Amt des CDU-Chefs hatte Laschet vor Kurzem in sein Wahlkampfteam geholt. Söder spottet nebenan über Merz: "Seine Erfahrung aus den 90er Jahren hilft uns bestimmt." Auch "die Probleme" beim Digitalen Impfpass erwähnt Söder, "nur eine Feststellung", die Maskendeals in Millionenhöhe innerhalb der CSU nicht. In der CSU hätten sich "alle lieb".

Laschet vertröstet auf Juni, dann werde man das gemeinsame Programm von CDU und CSU vorstellen. Wichtig sei ihm, so Laschet: "Wie halten wir Europa zusammen, finanziell und politisch?" In der Krise habe man die Abhängigkeit von China gemerkt. Darauf brauche es eine europäische Antwort. Statt Laschet ist nun Anne Will zusehend genervt von den Allgemeinplätzen: "Da höre ich jetzt keinen Unterschied zu den Grünen und der SPD." Sie versucht es noch mal mit der Provokation und spricht die Möbelhäuser an, die die NRW-Landesregierung ("Land der Küchenbauer") in der ersten Phase der Pandemie so schnell wie möglich wieder öffnete. Laschet winkt ab, behauptet, ihn habe in der Pandemie vor allem die Situation der Kinder und Jugendlichen, die Bildungsgerechtigkeit interessiert.

Was nicht ganz falsch ist: Laschet hat lange als einziger Ministerpräsident auf die schwerwiegenden Folgen des Lockdowns für Kinder hingewiesen, während in südlicheren Bundesländern überlegt wurde, was man noch schließen könnte. Doch Laschets FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer agiert seit einem Jahr derart unprofessionell im Hauruck-Verfahren, dass mittlerweile ein Großteil der Schulkinder, deren Eltern und Lehrkräfte mehr als verärgert sind.

Er wolle als Kanzler, "Gerechtigkeit und sozialen Aufstieg für jeden möglich machen". Jetzt wird Laschet leidenschaftlich: "Kindern aus Hartz IV heraushelfen, das ist mein Verständnis von sozialer Gerechtigkeit." Also Hartz IV bleibt, wird nicht erhöht, fragt Will. "Hartz IV wird ja immer mal wieder an die Lebenshaltungskosten angepasst", antwortet Laschet.

Nach 22 Minuten Fast-Monolog wird der "Fast-Kandidat" Söder drüben bei Bild-Live gefragt: "Wie sehr ärgern Sie sich, dass Sie es nicht geworden sind?" - "Gar nicht", sagt Söder. Aber Personen spielten die zentrale Rolle, Parteiprogramme seien schwer unterscheidbar, findet Söder.

Werden die ostdeutschen Landesverbände für Laschet zum Problem?

Bei "Anne Will" dreht es sich jetzt auch um Namen: Warum kommen Politikertypen wie Hans-Georg Maaßen, Friedrich Merz und Markus Söder so gut im Osten an?

"Die Sehnsucht nach Merz und später nach Söder war riesengroß, dann hat man Armin Laschet bekommen", sagt Martin Machowecz, Leiter des Zeit-Büros in Leipzig. Eine Frau in einem Einspieler sagt, dass die Menschen im Osten sich nach den Merkel-Jahren ein konservativeres Profil wünschten: "Laschet ist der Versöhner. Aber wollen die Leute das gerade?"

Werden die ostdeutschen CDU-Landesverbände für Laschet zum Problem? Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer findet, der 60-Jährige müsse sich vom früheren Verfassungsschutzpräsidenten und heutigen CDU-Direktkandidaten in Südthüringen, Hans-Georg Maaßen, distanzieren: "Sie legitimieren rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte - verkörpert durch Hans-Georg Maaßen. Das hätten Sie ganz klar verurteilen müssen, Herr Laschet!" Laschet fragt Neubauer nach Belegen für den öffentlich erhobenen Vorwurf, dass Maaßen antisemitische Inhalte teilen würde. Wenn dem so wäre, müsse man über einen Ausschluss von Maaßen nachdenken.

15 Minuten lang geht es ums Klima

Die 25-Jährige, die auch Parteimitglied der Grünen ist, gerät ins Stocken. Anne Will sagt: "Schauen wir uns noch an, versuchen wir zu belegen." Mit der AfD werde nicht koaliert, auch nicht im Osten, sagt Laschet noch. Die noch verbliebenen 15 Minuten geht es um Klimapolitik, es werden allerdings nur schon oft öffentlich geäußerte Argumente ausgetauscht.

Politikwissenschaftlerin Ursula Münch stellt Laschet eine zentrale Frage: Warum wurden die Dinge, die er nun angehen wolle, nicht in den zurückliegenden 15 Jahren schon angegangen? Laschet, seit 1979 CDU-Mitglied, hat keine Antwort darauf.

Markus Söder versichert derweil nach mehr als 30 Minuten Monolog, er stehe zu "einhundert Prozent" hinter Laschet.

Und die Moral von der Geschicht'? Zähes Floskel-Fernsehen mit dem Unions-Kanzlerkandidaten im Ersten, ein ebenso nichtssagendes Interview mit dem bayerischen Ministerpräsidenten, der sich fast unwidersprochen profilieren durfte. Zwei Interviews, zwei Bildschirme - und die Erkenntnis: Wer schon schlief, hat auch nichts verpasst.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version haben wir eine Aussage der Moderatorin so wiedergegeben: "Wir haben keinen Beleg, den müssen wir noch besorgen." Anne Will sagte jedoch wörtlich: "Schauen wir uns noch an, versuchen wir zu belegen."

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