Fernsehen:Verstehen die Spaß?

Lesezeit: 5 min

Gesucht und umkreist: die öffentlich-rechtliche Unterhaltung. Vielleicht ist sie ja eine Schneefrau? Hans-Joachim Kulenkampff 1984 in der Sendung "Einer wird gewinnen". (Foto: imago stock&people)

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder wünscht sich weniger öffentlich-rechtliches Unterhaltungsprogramm. Was ist das eigentlich? Eine Diagnose.

Von Claudia Tieschky

Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, wünscht sich weniger Unterhaltung von den Öffentlich-Rechtlichen, hat er in einem Interview zu Protokoll gegeben. Das ist keck für jemanden, dem es als Heimatminister gelang, per Gastauftritt in der BR-Soap "Dahoam is dahoam" ein öffentlich-rechtliches Unterhaltungsformat zu kapern. Andrerseits ist der Söder-Auftritt von damals nun ein glänzendes Beispiel für ziemlich schiefgelaufene öffentlich-rechtliche Unterhaltung. Die Frage, die Söder da selber aufwirft: Will Söder sozusagen den Unterhaltungs-Söder von damals abschaffen?

Der bayerische Regierungschef äußert sich natürlich nicht in eigener Sache oder zufällig zu dem Thema. Die Länder beraten schon ziemlich lange über eine Neufassung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags; zu den strittigen Themen im Gesetzesentwurf gehört die Frage, ob ARD, ZDF und Deutschlandradio eine andere Form von Unterhaltung machen sollen als bisher. Weil man in dem Staatsvertrag nicht einfach zu "besserer Unterhaltung" verpflichten kann (oder "Unterhaltung ohne Söder") , sucht man nun nach einer konsensfähigen Formulierung. Diskutiert wird etwas im Sinn von "Unterhaltung mit öffentlich-rechtlichem Profil". Weil aber auch da niemand genau sagen kann, was das ist, könnte es gut sein, dass - falls so eine Definition ins Gesetz kommt - am Ende deutsche Gerichte darüber entscheiden müssen, ob eine Sendung denn jetzt auf die richtige Art unterhaltsam ist.

Vermutlich würde Söder wirklich lieber den Papst wählen, als auf Bayerns Veto zu verzichten

Das wäre vielleicht heiter, aber sicher nicht hilfreich. Vor Jahren erfand man in einem Gesetz schon mal eine ähnlich schwammige Formulierung, die den Sendern "presseähnliche" Auftritte im Internet verbietet. Seither führt das zu vielen Prozessen, etwa mit den Verlegern über die Tagesschau-App, in denen es immer auch darum geht, was "presseähnlich" eigentlich bedeutet.

Der Rundfunkpolitiker Söder hat auch noch gesagt, dass es leichter sei, den Papst zu wählen, als einen Staatsvertrag zu ändern. Das ist nicht nur eine nette, unterhaltungsähnliche Pointe, es stimmt auch. Die Länder, die für den Rundfunk zuständig sind und über seinen Auftrag entscheiden, könnten aber tatsächlich das Verfahren ändern, das zu diesen Gesetzen führt. Statt der Einstimmigkeit, die dafür im Moment nötig ist und die alles sehr langwierig macht, könnte man sich etwa auf eine Mehrheitsentscheidung verständigen. Auf diese Änderung der Methodik allerdings müssten sich alle noch ein letztes Mal einstimmig einigen. Konkret: Jedes Land würde sein Blockaderecht gegen Rundfunkgesetze aus der Hand geben. Vermutlich würde Söder dann lieber den Papst wählen, als Bayerns Veto hinzugeben.

Öffentlich-rechtliche Unterhaltung: Das heißt viele, viele Krimis. Manchmal Schmunzelkrimis

Unabhängig von diesen juristischen Feinheiten ist die Frage der Unterhaltung bei ARD und ZDF natürlich interessant. Schon deshalb, weil sie zu den Dingen gehört, zu denen jeder eine Meinung hat, der vor einem Bildschirm sitzt. Dass die kommerziell wirtschaftenden Privatsender Unterhaltung machen sollen, ist gewissermaßen ihr Grünungsmanifest seit 1984. Was aber heißt das für die Öffentlich-Rechtlichen? Bedeutet es, dass sie seither eine andere Unterhaltung machen sollen als die Privaten?

Hallo, ist da vielleicht noch mehr? Barbara Schöneberger bei "Verstehen Sie Spaß?". (Foto: Adam Berry/Getty Images)

Es ist jedenfalls nicht so einfach, das auseinanderzurechnen: Privatsendershows minus Kostenverantwortung gegenüber dem Beitragszahler minus Dschungelmaden plus einem irgendwie öffentlich-rechtlichen Faktor Ö, der mehr bedeutet als die Moderation durch Johannes B. Kerner? In Wirklichkeit besteht die Unterhaltung in den gebührenfinanzierten Sendern momentan vor allem aus Serien und - schon merkwürdig - Krimis, manchmal sogar: Schmunzelkrimis.

Knifflig wird es, wenn die Privatsender nun Sendungen mit Faktor Ö losschicken: Infotainment mit Zervakis & Opdenhövel, Joko und Klaas, die dem Pro-Sieben-Publikum die Pflegekrise vor Augen führen, Talentshows wie Voice of Germany, die ihre Kandidaten mit Empathie in den Wettbewerb schicken. Die Grenzen sind in der Herstellung sowieso fließend. Gute öffentlich-rechtliche Unterhaltung entsteht ja nicht, weil jemand im WDR witzig ist. Sondern wenn Produzenten, die oft auch private Unterhaltung können, ein Gespür dafür haben, was der Faktor Ö bedeuten könnte. Und wie man ihn erfolgreich macht.

Unterhaltung, öffentlich-rechtlich, das ist eine mächtige Anforderung, für die früher Namen wie Hans-Joachim Kulenkampff, Harald Juhnke, Robert Lembke oder Anneliese Rothenberger standen. Was heute dafür steht, das kann diskutiert - aber ganz bestimmt nicht von Politikern oder Sendergremien im Voraus festgelegt - werden. Ein gemeinsamer Nenner aus Harmlosigkeit und irgendwas mit Wissen und Kultur ist auch keine Lösung.

Gekaperte Unterhaltung: Der damalige bayerische Heimatminister Markus Söder (CSU) in der BR-Soap "Dahoam is Dahoam". (Foto: Marco Orlando Pichler/BR)

Böhmermanns Magazin Royale, die frühen Sendungen von Joko und Klaas im ZDF, Welkes Heute-Show - wo es die neue öffentlich-rechtliche Unterhaltung tatsächlich gibt, lief es ja oft so, dass sie erst mal platziert und bei Widerstand vom Sender mit den Gremien ausdiskutiert worden ist. Der frühere ZDF-Intendant Thomas Bellut durfte sich dank Jan Böhmermann gelegentlich wie der große Axel Caesar Springer fühlen, der vor Schreck über die Bild gelegentlich aus dem Bett gefallen sein soll, jedenfalls in der Erinnerung seiner Witwe.

Es reicht nicht, alle paar Monate Wetten, dass ..? mit Thomas Gottschalk aufleben zu lassen. Unterhaltung ist ein schweres Geschäft, es gibt die Qualität im Versteck, es gibt Olli Dittrich, es gibt Arte. Auf der großen Bühne lebt Unterhaltung in vieler Hinsicht schlicht vom Geld - von Lizenzen international erfolgreicher Shows, hinter denen auch die Streaming-Plattformen inzwischen her sind -, von Talenten, die bei den Privaten besser bezahlt werden und deshalb gern mal von den Öffentlich-Rechtlichen weggehen. Und Unterhaltung lebt von Typen und Marken.

Davon haben ARD und ZDF zu wenige und noch weniger, denen sie große Shows zutrauen - und unter den wenigen zu viele von derselben Sorte. Dass Eckart von Hirschhausen, der Peter Wohlleben für Menschen, inzwischen in der ARD alles wegmoderiert, ist ein Symptom. Es stimmt, Leute wie Barbara Schöneberger, Giovanni Zarrella oder Sabine Heinrich betreten langsam die Show-Bühne. Hallo, ist da vielleicht noch mehr?

Unterhaltungsfaktor Krimi: "Mord mit Aussicht" in der ARD mit Katharina Wackernagel (Mitte), Sebastian Schwarz und Eva Bühnen. (Foto: Ben Knabe/dpa)

Vielleicht ist es interessant, wenn man noch einmal auf Wetten, dass ..?, auf den letzten, durch Spitzenquoten nachweisbaren empirischen Befund schaut. Begriffe wie Nostalgie sind zu kurz gegriffen als Erklärung für den Erfolg. Die ZDF-Show ist vielmehr auch - durch Sendezeit, durch die Gästemischung, durch seltsame Wetten - ein integratives Format. Ein Raum, in dem sich unterschiedliche Menschen wohlfühlen, auch wenn nicht alles dort den eigenen Vorlieben entspricht und einer moderiert, der bekanntermaßen ein bisschen peinlich ist.

Wäre das eine Definition für das Gesuchte: nicht einfache Unterhaltung?

Überhaupt ist die Fähigkeit, Peinlichkeit zuzulassen, wohl eine grob unterschätzte Tugend in der Unterhaltung, oder überhaupt in der Art, wie wir öffentlich miteinander reden. In sozialen Netzwerken ist zu sehen, wie brutal mit Schwäche verfahren wird, das macht es nicht einfacher, in der Unterhaltung etwas auszuprobieren. Ganz abgesehen davon, dass das kreative Experiment nicht unbedingt eine genuin öffentlich-rechtliche Kernkompetenz ist. Aber, verrückte Idee - wäre nicht gerade das die eigentliche Definition für öffentlich-rechtliche Unterhaltung: nicht einfache Unterhaltung?

Und dann - dann muss es bloß auch noch lustig sein.

In der besten Unterhaltungssendung, die es derzeit gibt, versuchen Comedians mit richtig gemein lustigen Darbietungen, andere Comedians zum Lachen zu bringen, die aber keine Miene verziehen dürfen, wer lacht, fliegt raus. Alle machen sich zum Affen, wer lachen darf, lacht Tränen. Die Sendung heißt LOL - Last One Laughing, sie läuft bei Amazon Prime, und sie zeigt, wie einfach die Unterhaltungsfrage ist. Hätten ARD oder ZDF so einen Knaller groß im Programm, würde in Wirklichkeit eines ganz sicher niemanden interessieren: was daran genau jetzt öffentlich-rechtlich ist.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFrank Elstner zum 80. Geburtstag
:"Ich ärgere mich immer, wenn einer eine Sendung macht mit Maske"

Frank Elstner, TV-Ikone und Show-Legende, wird 80 Jahre alt. Ein Gespräch über den Verkauf von "Wetten, dass..?" und die deutsche Fernsehunterhaltung.

Interview von Harald Hordych

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: