ARD vs. ZDF:Schluss mit der Freundschaft

Nun will auch die ARD nicht mehr. Nachdem das ZDF vergangene Woche die Nachrichtenkooperation der beiden öffentlich-rechtlichen Sender gekündigt hatte, steigt auch die ARD aus - zumindest für ein Jahr. Lange hatte man auf Konsens gehofft, alles wollte man aber auch nicht mitmachen.

Claudia Tieschky

Der ZDF-Intendant Markus Schächter ist nur noch wenige Wochen im Amt, am 14. März übergibt er an seinen designierten Nachfolger, den Programmdirektor Thomas Bellut. Vergangenen Samstag erhielt Schächter, 62, den päpstlichen Gregorius-Orden. Es gab Zeiten, in denen der Senderchef, der demnächst an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München lehren wird, eher defensiv wirkte: Etwa bei der Politposse, die vor zwei Jahren eine Wiederwahl des damaligen Chefredakteurs Nikolaus Brender verhinderte und zur Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag brachte.

Tagesschau-Jubiläum: 20.000 Mal um 20 Uhr

Kein ARD-Logo mehr im ZDF-Kanal: ARD-Hierarchen einschließlich ihrer Gremien appellierten zuletzt an das ZDF und seine Aufsicht. Die Bemühungen blieben erfolglos. Im Bild. Judith Rakers.

(Foto: dpa)

Doch nun, am Ende von Schächters Amtszeit, steht noch einmal eine Strategie-Entscheidung ohne Rücksicht auf Harmonien: Der umstrittene Plan des ZDF, künftig bei den Vormittagsnachrichten nicht mehr wie seit 30 Jahren mit der ARD zusammenzuarbeiten, ist eine demonstrative Standortbestimmung des Zweiten zum öffentlich-rechtlichen Partner: als Konkurrenten.

An diesem Montag verständigten sich auch die ARD-Intendanten gegen 15 Uhr per Schaltkonferenz darauf, die Nachrichten-Kooperation nicht einseitig fortzusetzen. Sie wird zunächst für ein Jahr ausgesetzt, das Modell sollen dem Vernehmen nach die WDR-Intendantin Monika Piel, die in der ARD den Vorsitz führt, und NDR-Chef Lutz Marmor vorgeschlagen haben. Man bedaure die ZDF-Entscheidung und sei jederzeit bereit, die Kooperation wieder aufzunehmen, teilte Piel mit.

Von Januar an muss nun die ARD auch in den Wochen mit ZDF-Morgenmagazin Ausgaben der Tagesschau herstellen. Bis zuletzt war offen, ob BR-Chef Ulrich Wilhelm für den Ausstieg stimmen würde - er hatte entschieden für eine Fortsetzung der Kooperation geworben und dem Vernehmen nach auch noch einmal das Gespräch mit dem ZDF gesucht. Wilhelm enthielt sich bei der Abstimmung.

Bislang produzierte stets der öffentlich-rechtliche Sender die Nachrichten um neun, zehn und zwölf Uhr, der auch das gemeinsame Morgenmagazin von ARD und ZDF herstellte. Somit liefen im Wochenwechsel vormittags heute-Nachrichten und Tagesschau auch im Programm des öffentlich-rechtlichen Partners.

ZDF will handlungsfähiger im Digitalen werden

Der ZDF-Fernsehchefredakteur Peter Frey will nun mit der Eigenleistung am Vormittag vor allem handlungsfähiger im Digitalen werden: Während der Wochen mit ARD-Tagesschau betreibt das ZDF in Mainz vormittags kein Nachrichtenstudio - so können auch keine Bilder und Filme für die Internet-Nachrichten des ZDF produziert werden, die wichtiger werden.

Was die Ära Schächter im Rückblick kennzeichnen wird und was sein Nachfolger Bellut als Programmchef stets mitbetrieben hat, ist tatsächlich der entschiedene Ausbau im Digitalen. Dafür reizte man gern auch mal die Möglichkeiten aus; so ignorierte man für den Aufbau der Digitalkanäle jahrelang Personalstreichungen, die die Gebührenkommssion KEF verlangte, auch wenn man, wie der Sender jetzt betont, bei den Nettoeinsparungen im Plan blieb.

Nachrichten gehören zum Kernauftrag

Im Sinn der Digitalstrategie ist es also konsequent, was der ehrgeizige Frey gerade mit Blick auf das Internet im Nachrichtengeschäft tut. Es hat aber einen Preis - nicht nur in Geld, sondern auch in Sendeminuten für die öffentlich-rechtliche Kernaufgabe der Nachrichten im klassischen, linearen Fernsehen. Das macht den Plan so angreifbar.

Claus Kleber heute-journal

Claus Kleber und Gundula Gause werden mit ihrem Team ab sofort zwar jede Woche auch am Morgen eigene Sendungen produzieren. Dafür fallen jedoch auch Sendungen weg.

(Foto: dpa)

Denn um die Neuheit zu finanzieren, werden die heute-Nachrichten um zehn Uhr gestrichen sowie die Ausgaben um 12 und 17 Uhr verkürzt. Auch diese Schema-Änderung hätte die ARD mittragen müssen, wenn sie einseitig an der Kooperation festgehalten hätte. Hier war bei den Intendanten die Grenze erreicht.

Trotzdem hat die ARD lange gezögert und auf Konsens gehofft. Beim Intendantentreffen in Bremen Ende November vertagte man den Beschluss bis nach der Sitzung des ZDF-Fernsehrats am vorigen Freitag. ARD-Hierarchen einschließlich ihrer Gremien appellierten zuletzt an das ZDF und seine Aufsicht. Und relativ unverhohlen wurde vom Fernsehrat, der höchstens mittelbar für Freys Entscheidung zuständig ist und dessen problematische Nähe zur Politik das Bundesverfassungsgericht beschäftigt - politischer Druck erhofft.

Eine Lesart der Poltik jedenfalls geht dahin, dass aus den zwei öffentlich-rechtlichen Welten künftig möglichst oft eine gemeinsame werden solle. Das leuchtet finanziell und sehr oft auch inhaltlich ein. Aber kann man Beschränkung auch einfordern beim gesellschaftlich wichtigen Nachrichtengeschäft? Dort setzten die Anstalten Gebührengeld unmittelbar auftragsgerecht ein, und Privatsender betreiben die Information wegen hoher Kosten eher spärlich.

Ressourcen, die am Vormittag gespart werden, so argumentierten wohl Anhänger der Kooperation in den Sendern, könnten anderswo mehr bewirken. Und natürlich ist das Vormittagsprogramm kaum kriegsentscheidend für die öffentlich-rechtliche Nachrichtenvielfalt. Medienpolitisch bemerkenswert war aber, mit welcher Begründung der Fernsehratschef Ruprecht Polenz, CDU, am Freitag Unterstützung für Freys Plan erklärte.

Mehr Eigenprofil trifft auf Konkurrenzdenken

Polenz sagte, Nachrichten gehörten zum Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Systems: "ARD und ZDF erfüllen ihn unabhängig voneinander in einem Qualitätswettbewerb, beide tun das anerkannt gut und dieser Wettbewerb im Kernbereich ist ausdrücklich so gewollt. Deshalb sind beide so gut, wie sie sind." Das sei keine Absage an das Prinzip der Kooperation, sondern ein Bekenntnis zum Profil der eigenen Nachrichten, erklärten Schächter und Polenz. Natürlich.

Auch die ARD hat kürzlich eine Informationsoffensive ausgerufen. Die Bekenntnisse im Ersten aber, auch das muss man sagen, gelten zurzeit doch eher dem Profil der vielen eigenen Talkshows.

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