ARD-Talk:Söder gibt den General-Generalsekretär

hart aber fair; Söder Hart aber fair

Der bayerische Finanzminister Markus Söder würde gern Horst Seehofers Nachfolger werden.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Die Abrechnung mit Merkel steht bei "Hart aber fair" auf dem Plan. Doch die SPD-Generalsekretärin verheddert sich in ihren Sätzen. Und Plasberg bekommt einen Assistenzmoderator.

TV-Kritik von Ingrid Fuchs

Angezählt - wie viel Zeit bleibt Merkel noch? Wohin mit den Flüchtlingen - lässt Europa uns im Stich? Wer glaubt noch an die Strategie der Kanzlerin? Und jetzt: Abrechnung mit Merkel? Es ist die vierte Talksendung von Frank Plasberg, die sich mit einem möglichen Scheitern der Bundeskanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik beschäftigt. Die vierte in diesem Jahr. Da gehen selbst talkversierten Politikern die frischen Argumente aus. Immerhin einer von Plasbergs Gästen dürfte mit seinem Auftritt bei "Hart aber fair" jedoch ziemlich zufrieden sein: Markus Söder.

Der bayerische Finanzminister ist der einzige Gast in der Runde, bei dem sich nicht sofort erschließt, wen er an diesem Montagabend eigentlich vertritt. Peter Tauber ist CDU-Generalsekretär, Katarina Barley ist SPD-Generalsekretärin, Simone Peter ist Bundesvorsitzende der Grünen und Dietmar Bartsch Fraktionsvorsitzender der Linken. Sie alle sprechen qua Amt für ihre Parteien. Aber Söder? Er war mal CSU-Generalsekretär, von 2003 bis 2007, danach war er für ein Jahr bayerischer Europaminister. Heute ist er im Freistaat für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat zuständig. Inoffiziell auch für krawallige Tweets, innerparteilichen Unmut und diverse Talkshow-Auftritte. (Beispiele dafür lesen Sie hier und hier und hier).

Söders Traumjob ist der des bayerischen Ministerpräsidenten

Das Phänomen ist nicht neu: Markus Söder übt mit seinen Auftritten schon mal für seinen Traumjob als bayerischer Ministerpräsident und gibt dafür so was wie den Über-Lautsprecher der CSU. Oder gleich den General-Generalsekretär für ganz Deutschland. Sein Credo: Wenn sich Europa in der Flüchtlingsfrage nicht einig wird, bleibt nur der nationale Alleingang. Und, das betont er immer und immer wieder: Man muss die Sorgen der eigenen Bevölkerung ernst nehmen.

Dafür würde er wohl auch einen bayerischen Alleingang in Kauf nehmen, zumindest freut er sich sichtlich über Plasbergs kleinen Versprecher zu Beginn: "Herr Söder, Sie können uns helfen, Ihr Bayern liegt zwischen Österreich und Deutschland ... ähm, dem Rest von Deutschland ..." Auch wenn Söder kein Amt innehat, das ihn als Sprecher in Flüchtlingsfragen legitimiert, der 49-Jährige schafft es, gut sortiert und fast schon staatsmännisch souverän rüberzukommen. Der schwache Auftritt der übrigen Gäste macht ihm das zusätzlich einfach.

Denn eigentlich soll es bei Plasberg nicht um die Karriere von Söder sondern um die von Merkel gehen. Und um den Flüchtlingsgipfel zwischen EU und Türkei sowie dessen mögliche Auswirkungen auf die anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Immer wieder wird der Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause ins Studio geschaltet, um Updates vom Gipfel zu liefern. Er zeichnet ein fatales Bild der Lage, Europa könne "ganz leise zerbröseln", wenn sich die Staaten von den gemeinsamen Werten verabschieden.

Um Werte geht es im Studio aber nur am Rande, stattdessen werden fast die ganzen 75 Minuten lang alte Positionen wiedergekäut. Für Verhandlungen mit der Türkei (Barley und Tauber) und dagegen (Peter und Bartsch). Für eine symbolische Abschreckungspolitik (Söder) und dagegen (Peter). Für das von SPD-Chef Sigmar Gabriel vorgeschlagene Sozialpaket (Barley) und dagegen (der Rest).

Die SPD-Generalsekretärin erreicht mit manchen Sätzen fast Stoiber-Qualität

Tauber verteidigt indes brav Merkels Politik und will, obwohl auch die Kanzlerin inzwischen eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen anstrebt, keinen Kurswechsel seit der Grenzöffnung im September erkennen. Der SPD-Generalsekretärin geht es ähnlich, nur verheddert sie sich ständig in ihren eigenen Aussagen und erreicht mit manchen Sätzen fast schon Stoiber-Qualität: "Wir haben eben gesehen, im Laufe dieser letzten Monate, dass nationale Lösungen das Problem nicht lösen - also nationale Alleingänge das Problem nicht lösen. Das gilt für die Schließung der Grenzen und das gilt genauso jetzt für einen nationalen Alleingang, wir müssen einfach zusehen, dass wir in der Europäischen Union dort eine Lösung finden." Verwirrte Blicke aus der Runde.

Dann gibt Barley in der Frage nach dem Kurswechsel auch noch "dem Kollegen Söder" recht - und meint eigentlich Tauber. "Muss an der Frisur liegen", attestiert Plasberg und schaut auf den dunkelhaarigen Söder und den glatzköpfigen Tauber. So richtig ernst nehmen kann sie da schon keiner mehr, Plasberg scheint zunehmend genervt von Barley, fällt ihr immer häufiger ins Wort.

Und Söder? Kann ein zufrieden-hämisches Grinsen kaum mehr unterdrücken, spricht aber - ganz diplomatisch - nicht vom Kurswechsel, sondern "einer totalen Weiterentwicklung" Merkels. Und meint: eine Weiterentwicklung, hin zu jenen Forderungen, die die CSU und allen voran er selbst, schon längst formuliert haben.

Der bayerische Finanzminister achtet inzwischen sehr genau darauf, wann er sich wie äußert. Wenn Krawall, dann kalkuliert. Da hält er es wie sein Chef und Intimfeind Horst Seehofer, auch der amtierende Ministerpräsident stichelt gern gegen die Kanzlerin. Das war es aber dann auch schon wieder mit den Gemeinsamkeiten, in der übrigen Zeit sticheln die beiden lieber gegeneinander und pflegen ihre innerparteiliche Opposition.

Plasberg nennt Söder seinen "Assistenzmoderator"

Von Opposition kann zwischen Söder und Plasberg keine Rede sein, der CSU-Mann ist seit Anfang 2014 zum fünften Mal in der Sendung zu Gast, die beiden dürften sich inzwischen gut kennen. Der Moderator gewährt ihm nicht nur ausreichend Redezeit, sondern nennt ihn einmal sogar seinen "Assistenzmoderator" - während er die Diskussionsbeitragsversuche der anderen Gäste teils ungeduldig unterbricht.

Auch mit Tauber versteht sich Söder prächtig, wie zwei Schuljungen stecken die beiden zwischendurch die Köpfe zusammen und tuscheln. Viel mehr Harmonie ist an diesem Abend allerdings nicht zu spüren, am deutlichsten wird die Kluft zwischen den Partnern der großen Koalition, der SPD und CDU/CSU. Zurück bleibt die Sorge, dass es die AfD bei den Wahlen am kommenden Sonntag mit starkem Rückhalt in die Landtage schafft.

Doch weder gegen die AfD noch für die Flüchtlingsfrage ist die Talkrunde einer Lösung näher gekommen. Nur Söder hat wie gewohnt versucht, den Wählerversteher zu geben und die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, auf seine Weise. Die Frage, wie sich ein nationaler Alleingang bei der Schließung der Grenzen auf die Wirtschaft auswirken würde, wurde zwar kurz angerissen, aber nicht ernsthaft diskutiert. Ebensowenig, ob eine Abschottung die Situation an den Grenzen nicht nur einfach verschieben und womöglich verschlimmern würde.

Die Sendung endet also wie der Brüsseler Gipfel: ohne Ergebnis. Wie es für Merkel weitergeht? Offen. Wie die Landtagswahlen ausgehen? Unklar. Nur Selbstdarstellungsminister und Ministerpräsidentenanwärter Markus Söder dürfte seinem Ziel wieder ein Stück näher gekommen sein. Die Rolle als bayerischer Außenminister füllt er schon jetzt aus.

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