Warnstreik:Gewerkschaften zufrieden mit ARD-Streik

Warnstreik beim SWR

Warnstreik beim SWR in Stuttgart.

(Foto: dpa)
  • Auch wenn die "Tagesschau" bisher nicht lahmgelegt werden konnte, sprach der stellvertretende Ver.di-Chef Werneke von einem "einmaligen" Ereignis in der Geschichte der Öffentlich-Rechtlichen.
  • Nach seinen Angaben beteiligten sich 3000 Beschäftigte an den Streiks.
  • Der Verwaltungsdirektor des Bayerischen Rundfunks, Albrecht Frenzel, sagte: "Wir würden unsere Mitarbeiter gerne angemessen bezahlen, wenn wir es denn könnten."

Von Detlef Esslinger

Mehrere ARD-Anstalten sehen sich offenbar nicht länger in der Lage, ihre Mitarbeiter noch angemessen zu bezahlen. Das lässt sich schließen aus einem Satz, den der Verwaltungsdirektor des Bayerischen Rundfunks, Albrecht Frenzel, am Mittwoch in Stuttgart sagte: "Wir würden unsere Mitarbeiter gerne angemessen bezahlen, wenn wir es denn könnten."

Frenzel sprach zum Auftakt einer Pressekonferenz, in der sein Intendant Ulrich Wilhelm eigentlich über die Ergebnisse einer Konferenz der ARD-Intendanten berichten wollte. Wilhelm ist auch ARD-Vorsitzender, Frenzel steht der Finanzkommission des Verbunds vor, und weil drei Gewerkschaften am Mittwoch zu Streiks bei sechs der elf ARD-Anstalten aufgerufen hatten, gab es für die Pressekonferenz ein sehr aktuelles, wenn auch den beiden quasi aufgezwungenes Thema.

Streiks fanden bei WDR, SWR, MDR, SR, BR und NDR statt. Der WDR konnte das ARD-Morgenmagazin nur in einer vorproduzierten Kurzfassung senden. Im Hörfunk des Bayerischen Rundfunks lief zum Beispiel das Unterhaltungsprogramm Bayern 3 auch auf den Wellen B2 und B5 aktuell, zeitweise auch auf BR Klassik. Besonders Fußballfans traf der Streik: Die Radio-Übertragung des Champions League-Auftakts des FC Bayern gegen Roter Stern Belgrad fiel dem Ausstand zum Opfer.

BR musste die Abendschau streichen

Im Fernsehen musste der Sender die Abendschau und die Münchner Runde streichen, die Rundschau sollte wenigstens die aktuellsten Nachrichten liefern; "so gut es geht", wie der BR mitteilte. Darüber hinaus setzten die Gewerkschaften darauf, Tagesschau und Tagesthemen lahmzulegen, die beim NDR produziert werden. Zumindest die Tagesschau-Ausgaben bis 20 Uhr wurden aber regulär gesendet.

Dennoch zeigte sich die Gewerkschaft Verdi sehr zufrieden: "Die heutigen Streiks sind in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bislang einmalig", sagte ihr Vize-Vorsitzender Frank Werneke, der unter anderem für die Medienbranche zuständig ist. Nach seinen Angaben beteiligten sich 3000 Beschäftigte an den Streiks.

In der ARD werden die Tarifverträge jeweils Anstalt für Anstalt ausgehandelt. In den am Mittwoch bestreikten Anstalten laufen sie seit Monaten deshalb ergebnislos, weil die Gewerkschaften - neben Verdi der Deutsche Journalistenverband (DJV) und die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) - an einem Prinzip festhalten wollen, das die Anstalten jeweils aufgeben wollen: die Bindung der Tarifentwicklung an jene beim Öffentlichen Dienst.

"Unsererseits kein böser Wille"

BR-Verwaltungsdirektor Frenzel sprach am Mittwoch in Stuttgart ausdrücklich vom "Abkoppeln" - und fügte hinzu, dies sei "unsererseits kein böser Wille". Es folgte der Satz zur deklarierten Unmöglichkeit, weiterhin angemessen bezahlen zu können - sowie seine Erklärung dafür: Die Steuereinnahmen der Länder seien in den zurückliegenden zehn Jahren um 40 Prozent gestiegen, die Einnahmen des BR jedoch nur um 4,7 Prozent. Deshalb böten die Sender nun Tariferhöhungen zwischen 1,7 Prozent und 2,1 Prozent an. Sein BR biete 1,9 Prozent für dieses und 2,0 Prozent fürs nächste Jahr. Das sei ein "fairer" Inflationsausgleich. "Mehr geht im Prinzip nicht", sagte Frenzel.

Derzeit beträgt die Inflationsrate 1,4 Prozent, im April lag sie bei zwei Prozent, und für 2020 kalkulieren Wirtschaftsforscher ebenfalls mit Werten in dieser Größenordnung. Intendant Wilhelm ergänzte, er könne nicht Geld in einem Ausmaß verteilen, dass die Folgen "unweigerlich" Abbau von Programm oder von Beschäftigung sein würden. Deshalb erwarte er eine "sehr harte" Tarifrunde. "Aber am Ende wird ein Abschluss stehen, weil's bisher immer geklappt hat."

Nächster Verhandlungstermin für sein Haus ist am 27. September. Die Gewerkschaften hatten anfangs sechs Prozent mehr Geld gefordert, für zwölf Monate - wie auch im Winter im Öffentlichen Dienst der Länder. Dort setzten sie dann ein Plus von 7,8 Prozent durch, jedoch gestreckt auf 33 Monate. Daran orientieren sie sich bei den ARD-Anstalten. Die Erhöhung müsse "mindestens vergleichbar" sein, fordert der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Dass mancherorts Beschäftigte willens waren, auch dort zu streiken, wo es Zuschauer und Zuhörer nicht merken, zeigten die Mitglieder des SWR-Sinfonieorchesters: Bei ihrem Sender war Streikbeginn um 15 Uhr, aber weil sie morgens eine Probe hatten, fingen sie mit 15 Minuten Verspätung an. "Solidaritätsstreik" nannten sie es.

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