Süddeutsche Zeitung

ARD-Show "Gottschalk live":"Ich bete für die Quote"

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Gestern noch "Wetten, dass..?" im ZDF, heute schon in der ARD: Thomas Gottschalk stellt in Berlin seine neue Vorabendshow "Gottschalk live" vor - oder zumindest das, was davon schon existiert. Der Entertainer wird ein mittelschweres Wunder vollbringen müssen, um den Vorabend im Ersten wachzuküssen.

Hans Hoff

Der Star fährt kurz vor Mittag im silbrigen London-Taxi vor. Heraus steigt ein Mann in einem cholerabraun-karierten Dreiteiler, was eine Horde Fotografen schier zum Ausrasten bringt. Es ist nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, der Heiland, der da in Berlin-Mitte auftaucht. Es ist nur Thomas Gottschalk, der ins Humboldt-Carré strebt, in dem er ab 23. Januar werktäglich Show für die ARD machen will.

Aber was heißt "nur" in diesen Zeiten, da sein viel betrauerter Wetten, dass..?-Abschied gerade sechs Tage zurückliegt und als Angelegenheit von nationaler Bedeutung gehandelt wurde? Da möchte man eben wissen, wie dieser Mann ein mittelschweres Wunder vollbringen und den im Quotenkoma liegenden Vorabend im Ersten wachküssen will.

Drinnen steigt Gottschalk auf eine flache Bühne im Lichthof des Carrés und beginnt zu reden. Eine gute Dreiviertelstunde hört er nicht mehr auf und versucht zu erklären, was er denn nun anstellen will in diesen ehrwürdigen Hallen. Hinterher weiß man immer noch nicht, was genau passieren wird. Dafür hat man sich köstlich unterhalten, hätte notfalls auch eine Rheumadecke bestellt und hat zumindest erfahren, was die Show, die Gottschalk live heißen soll, alles nicht sein wird.

Eine Interview-Sendung soll es nicht werden, keine Talk-Sendung, und eine Comedy-Sendung sowieso nicht. Es wird kein Magazin sein, und Euro oder Ehec stehen nicht auf der Themenliste. "Es muss etwas geben zwischen dem FAZ-Feuilleton und Bauer sucht Frau", seufzt er fast.

Dass Gottschalk hierzulande eher wenig fernsieht, merkt man schnell. Er pflegt das, was er Inselbewusstsein nennt. "Ich lege mir die Scheuklappen an. Deutsches Fernsehen interessiert mich nur von 19.25 Uhr bis fünf vor acht", sagt er. Das ist seine neue Sendezeit, in die er ein bisschen Werbung per Splitscreen und die Wettervorschau integriert.

Fast möchte man die Sendung schon "Gottschalks Nichts" nennen, da wartet er dann doch mit ein paar Präzisierungen auf. In Amerika hat er Moderatoren gesehen, die eine Meinung haben und diese auch kundtun. Das will er. Sagen, was er denkt. Einfach so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und zusammen mit dem Zuschauer die Welt begreifen.

Gottschalk brennt für das Projekt

Noch ist das von Designer Florian Wieder konzipierte Studio nicht fertig, aber auf ersten Zeichnungen ist, oh Wunder, zu sehen, wie ein Moderator an einem Schreibtisch sitzt. Hinter ihm eröffnet ein Fenster den Blick auf Berlin-Mitte. Zu seiner Rechten sieht man die Redaktion, die auch während der Sendung offen mit ihm kommunizieren soll. Und im anderen Teil des Raums gibt es eine Sitzecke für Interviews.

Zu spüren ist auf jeden Fall, dass Gottschalk für das Projekt brennt. Er will das, er hat sich das genau so vorgestellt. Er will alles dransetzen, dass sich Erfolg einstellt. Für Gottschalk werden seine vier Berlin-Tage pro Woche klausurhaft ablaufen. Im Umkreis von 500 Metern will er im Hotel wohnen und nach der Devise ora et labora leben. "Ich bete für die Quote und arbeite für die Sendung", übersetzt er das Motto in seine Welt und wartet dann noch mit einer ungewöhnlichen Ankündigung auf. "Ich werde zur Überraschung vieler teilweise auch vorbereitet sein."

Niemand in seinem weiten Umfeld mag sich einen Misserfolg vorstellen. Niemand mag daran denken, was passiert, wenn nach der Osterpause die lange Ebene beginnt, in der möglicherweise keiner mehr darüber schreibt, in der die Marktanteile so werden wie jetzt zu dieser Sendezeit, also einstellig. "Zukunftspläne über den März hinaus gibt es nicht", sagt Gottschalk, und dann deutet er an, dass es durchaus auch so etwas wie einen Notausgang gebe. "Wenn das keiner will, sage ich nicht: Ich mache das trotzdem", prophezeit er. Ganz eindeutig: Der Herr will geliebt werden.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2011
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