Dass die ARD-Serie Um Himmels Willen von diesem Dienstag an fortgesetzt wird, dürfte der angeschlagenen katholischen Kirche sehr gelegen kommen. Die schwer von Missbrauchsskandalen und Austritten gebeutelte Institution erlebt man darin von ihrer erfreulichsten, fürsorglichsten und, ja, weiblichsten Seite. Es ist wie in einem Imagefilm: fröhliche Nonnen statt verdächtiger Priester. Pfiffige Seelsorge und Leutseligkeit. Das Kloster als Sozialstation auf der Problemhöhe der Zeit. Keine Insel der Seligen, sondern selber existenzgefährdet und vom örtlichen Bürgermeister, einem Ausbund an satanischer Verve, ständig unter Beschuss. Auch hier werden Grenzen überschritten und Fehler gemacht. Doch die Sünden sind klein und verzeihlich, die Schäfchen im Trockenen, und die Kirche, die bleibt im Dorf.
Auch Klimaschutz und Podcasts sind in den Schmunzelkosmos der Serie eingebaut
Auch dem angeschlagenen Zuschauer, diesem verlorenen Sohn, der verlorenen Tochter, kann so geholfen werden. Den geistigen Beistand und Seelentrost, den er von der Kirche schon lange nicht mehr bekommt und in Lockdown-Zeiten wohl mehr denn je vermisst, liefert das Fernsehen als Ersatzwärmestube. Um Himmels Willen (der Titel ist seit jeher fehlerhaft, "willen" gehört kleingeschrieben, da mag der Wille noch so groß sein) ist darin seit 19 Jahren der wohligste Kachelofenplatz, ein Garant für verlässliche Abläufe, überschaubare Konflikte und schlussendliches Glück. Noch keine der bisher 247 Folgen ist schlecht ausgegangen, und das wird - so viel spoilern darf sein - auch in den letzten 13 Episoden so bleiben. Die Erfolgsserie mit Janina Hartwig als Schwester Hanna und Fritz Wepper in der Rolle des schmierlappigen Bürgermeisters Wolfgang Wöller im fiktiven Ort Kaltenthal wird nach 20 Staffeln eingestellt. Und dann? Gnade uns Gott!
Schon der Vorspann zwingt einen zum pfingstwunderlichen Abheben in eine gesegnetere Welt. Wie lebensangriffslustig die fidelen Klosterfrauen da gleich mal aufmarschieren. Wie energisch Schwester Hanna den Heckdeckel ihres alten Mercedes zuklappt. Und Hilfe, diese Popstar-Geste von Wepper als eitler Provinzsonnenkönig! All das ist bis hin zur schwunghaft expressiven Musik so forciert positiv, dass, wer nicht sofort abschaltet, in die Feelgood-Falle geht wie ein Fisch ins Netz. Üppigste Rosenpracht, ein krähender Hahn, sommerliches Zwiebelturm- und Klosterhofidyll. Freudig beugen sich die Nonnen über einen Brief, den ihnen ihre ehemalige Mitschwester Claudia hochschwanger aus dem Schwarzwald geschickt hat. Juhu: "In ein paar Wochen kommt ein neues Menschenkind auf die Welt!"
So ist das im Kloster Kaltenthal. Der Fehltritte gibt es viele, es wird gemauschelt und gemenschelt, aber es renkt sich immer alles wieder ein, und wenn eine Ordensschwester die fleischliche Liebe entdeckt und ein Kind bekommt oder sonstigen irdischen Gelüsten anheimfällt - wie Schwester Felicitas der Homeshopping-Sucht und dem Pokerspiel -, dann ist das genau der menschliche Makel, der sie sympathisch, nahbar und zu einer komödiantischen Figur in diesem Gottespossenspiel macht. Die Serie spiegelt im Kleinen zwar die Probleme der Welt und hat von der Flüchtlingskrise bis hin zu Transgender-Konflikten oder - in der neuen Staffel - Klimaschutz und Plastikmüll schon alle möglichen Themen in ihren Schmunzelkosmos eingebaut, aber immer anhand von Musterfällen mit Musterlösungen, sodass am Ende alles in Ordnung und die gute Vorspann-Stimmung wiederhergestellt ist.
Die Grundkonstellation ist stets die gleiche, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Nonnen müssen auf findige Weise ihr Kloster retten, weil der egomane Bürgermeister es mal wieder verscherbeln, abreißen oder umstrukturieren will. Es ist ein ewiges Geschacher. Was hat Wöller, der Hundling, nicht schon alles auf dem Klostergrundstück errichten wollen - ein Kongresszentrum, eine Luxusbunkeranlage, ein Spaßbad, ein Casino. Sogar eine Müllverbrennungsanlage und ein Truppenübungsplatz waren schon angedacht. Diesmal liebäugelt er mit einer Akkufabrik, gebaut von einem chinesischen Investor. Die grundsätzlich klammen Nonnen müssen in jeder Folge tricksen und eigene Geschäftsmodelle entwickeln. Neuerdings planen sie ein Klosterhof-Café, aber - Überraschung - da ist das Bauamt vor, und so wird der Bürgermeister mal wieder überzeugt, wenn nicht erpresst werden müssen.
"Um Himmels Willen" gehört zu jener Art Sendung, die niemand gesehen haben will und trotzdem jeder kennt
Der Antagonismus zwischen Kloster und Rathaus personifiziert sich im zentralen, latent erotisch aufgeladenen Schlagabtausch zwischen Mann und Frau, dem intriganten Bürgermeister und der patenten Supernonne - von Staffel eins bis fünf war das Jutta Speidel als Schwester Lotte, seit Staffel sechs ist es Janina Hartwig als Schwester Hanna. Die gewiefte Gotteskämpferin mit immer einem Ass im Ärmel und der korrupte Provinzpolitiker, der auf großen Player macht - das erinnert an Don Camillo und Peppone und war vom Serienerfinder Michael Baier auch von Anfang an so gedacht.
Schon der schlitzohrige Don Camillo hatte es mit dem christlichen Gehorsam nie so genau genommen. Und auch Schwester Hanna, Nothelferin in allen Lebenlagen, ob als Psychologin, Konfliktmanagerin oder Ersatzehefrau, muss sich im Namen des weltlich Guten öfters über die Orthodoxie hinwegsetzen. In der finalen Staffel tritt sie für die Gleichberechtigung der Frau in der katholischen Kirche und für eine Reform des Zölibats ein, huijuijui, sie tut das unerschrocken im klostereigenen, von Novizin Sina betriebenen Podcast kund. Ja, so fortschrittlich ist man im Orden der lustigen Nonnen, immer widerständig und auf Zack.
Dass dies alles in einem übersichtlichen Kosmos zwischen Rathaus, Klosterküche und "Gasthaus Zum Ochsen" stattfindet, mit gelegentlichen Schwenkern nach München zur Mutter Oberin (Nina Hoger), trägt genauso zum Erfolg der Serie bei wie ihre leicht verständliche, um nicht zu sagen: idiotensichere Typologie. Wie im Kasperletheater ist jede Figur genau umrissen und erfüllt ihre Funktion mit übertriebener Deutlichkeit. Es gibt sogar einen "Wachtmeister", den sie tatsächlich so nennen. Jede Gefühlsregung wird mimisch-gestisch ausgestaltet, jeder Satz betont. Selbst wenn die Oberin mal einen Witz macht, tut sie das verständlich wie zum Mitschreiben: "Eine Frau ist wie ein Teebeutel" - Pause, Vorbereitung der Pointe -, "man merkt erst, wie stark sie ist, wenn man sie ins Wasser wirft." Applaus.
Das sind die Segnungen des Entspannungsfernsehens: Der Zuschauer kann das Gehirn abschalten und verpasst trotzdem nichts. Geboten bekommt er leichte Unterhaltung, lieb gewonnene Schauspieler, Lokalkolorit - und am Ende vielleicht sogar seinen abendlichen Seelenfrieden. Auf jeden Fall nichts, was ihn runterzieht. Die Medienwissenschaft spricht von "Stimmungsregulierung": sich jetzt bloß keiner schlechte Laune durch Problemfernsehen hingeben. Das Leben, Leute, ist hart genug, und man gönnt sich ja sonst nichts - außer diesem kleinen bisschen Eskapismus.
Nur öffentlich zugeben tut es dann wieder keiner. Um Himmels Willen gehört zu jener Art Sendung, die niemand gesehen haben will und trotzdem jeder kennt. Irgendwoher müssen die fünf Millionen Zuschauer, die diese Erbauungsserie im Durchschnitt hat, ja kommen (zu Glanzzeiten waren es schon mal acht). Nun aber wird sie abgesetzt. "Weil alles seine Zeit hat", wie Programmdirektor Volker Herres sagt. Ganz verdenken kann man ihm das, ehrlich gesagt, nicht. Immer die gleichen Nonnen in immer den gleichen Nöten, das ist im Laufe von bald zwanzig Jahren schon auch ein bisschen langweilig. Ihre Figur sei "auserzählt", sagte die beliebte Gaby Dohm, Nachfolgerin der beliebten Rosel Zech in der Rolle der Mutter Oberin, schon 2015 - und stieg aus.
Der Serienheld Fritz Wepper, an Langstrecken gewöhnt ( Derrick hatte 281 Folgen), sieht das völlig anders und sprach von einer "großen Enttäuschung". Im Laufe der Jahre ist er merklich gealtert. Aber den Schalk, für den er vom Publikum geliebt wird, hat er auch mit 79 noch drauf. Als er in Folge 248 gefragt wird, ob er sein Amt hauptberuflich ausübe, antwortet Wöller: "Lebensaufgabe!"
Um Himmels Willen, Das Erste, 20.15 Uhr, Doppelfolge sowie in der Mediathek.