Süddeutsche Zeitung

ARD: Satellitenübertragung nach Afghanistan:Der Verteidigungsfall

Jetzt läuft der "Tatort" auch wieder am Hindukusch - die ARD-Intendanten lassen das Erste nun doch weiterhin nach Afghanistan ausstrahlen. Der Sender hatte die Emotionalität des Themas völlig unterschätzt.

R. Deininger und C. Tieschky

Als die ARD in der vorigen Woche die Satellitenübertragung ihres Programms nach Afghanistan aus Kostengründen abschaltete, musste sie sich viel Kritik an der Entscheidung anhören. Und dabei fühlte sich der Senderverbund gründlich missverstanden. Für die Kritiker aus der Politik, dem Reservistenverband und der Bundeswehr war es schlicht eine unsensible Sparaktion ausgerechnet zulasten der Soldaten im Kampfgebiet fern der Heimat. Für die ARD-Hierarchen dagegen war es eine einvernehmliche Lösung am Ende langer Verhandlungen mit dem Bundesverteidigungsministerium.

Ein Teil des Programms, vor allem Nachrichten, sollte über den internen Bundeswehr-Kanal bwtv zu den Soldaten kommen, der über ein verschlüsseltes Satellitensignal in alle Einsatzgebiete sendet. Die Entscheidung, die 32000 Euro monatlich für den Satellitenkanal zu streichen, hatten die Intendanten bereits im vorigen Jahr getroffen.

Nach Protesten gegen eine erste Abschaltung traf man im Dezember 2010 mit dem Betreiber Eutelsat offenbar eine kurzfristige Sonderlösung, die jeweils verlängert wurde, während die Gespräche mit dem Verteidigungsministerium liefen. Zuletzt glaubten die ARD-Entscheider unter Vorsitz der WDR-Intendantin Monika Piel an eine Konsens-Lösung.

Was von der ARD offensichtlich völlig verkannt wurde, ist die Emotionalität des Themas. Und so entschieden die Intendanten nun bei ihrem Treffen am Montag und Dienstag in Stuttgart wohl endlich mal eine ganz andere Frage: War es eine kluge Strategie, ausgerechnet am Afghanistan-Satelliten sparen zu wollen?

Eher nicht, klar. Die ARD-Vorsitzende Piel sagte es so: "Wir haben nach intensiver Diskussion beschlossen, dass wir das Erste weiterhin über Eutelsat nach Afghanistan ausstrahlen." Jetzt läuft der Tatort auch wieder am Hindukusch, mit sofortiger Wirkung: "Wenn Sie in Afghanistan in diesem Moment den Fernseher einschalten, können Sie das Erste sehen", sagte Piel.

Die "schnelle und unbürokratische Lösung" sei notwendig gewesen, weil das Bundesverteidigungsministerium in den vergangenen Tagen zu der ursprünglichen Vereinbarung mit der ARD "nicht mehr gestanden" sei. Das Angebot, Programmteile an bwtv zu liefern, bleibe bestehen, sagte die ARD-Vorsitzende, die offenbar Zweifel hat, dass das eigene ARD-Satellitenprogramm wegen der Zeitverschiebung überhaupt viel Zulauf bei den Soldaten hat. Ihres Wissens sei in Afghanistan um 22 Uhr Zapfenstreich. "Ob die dann Morgenmagazin sehen können oder dann auch was anderes zu tun haben, weiß ich nicht."

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums dankte der ARD am Mittwoch: "Über diese Entscheidung freuen wir uns sehr." Weiter teilte man auf Anfrage mit: Die Zeitverschiebung während der Sommerzeit betrage zweieinhalb Stunden. "Da wir in Afghanistan 24 Stunden Dienst leisten, sind die Soldaten zu unterschiedlichen Zeiten in der Lage die Freizeit zu gestalten und damit auch das Programm der ARD zu verfolgen.

Dies betrifft insbesondere die Soldaten in Schichtdiensten." Zudem sei es für Soldaten möglich, nach 22 Uhr fernzusehen, sofern sie Rücksicht auf andere nehmen. Die Einspeisung von ARD-Sendungen als Ersatz für das Erste habe das Ministerium "als den kleinsten gemeinsamen Nenner" akzeptieren müssen - "wenngleich wir über den Kompromiss nicht glücklich waren". Wenn die ARD ihre Zusage aufrechterhalte, Regionalprogramme ins Bundeswehr-Fernsehen einzuspeisen "würden wir uns sehr freuen". So viel Freude hat die ARD zuletzt selten geschenkt.

Und da man schon dabei war, übte man in Stuttgart gleich noch Schadensbegrenzung in einer anderen Entscheidung, die ziemlich imageschädlich war. Wegen ihrer Programmreform, die von Herbst an Platz für gleich fünf Talkshows pro Woche macht, hatte die ARD einen Platz für Dokumentationen am Mittwochabend gestrichen. Der zweite Dokuplatz am Montag soll von 21 Uhr auf die Zeit nach den Tagesthemen rücken (22.45 Uhr).

Nun verkündete Programmchef Volker Herres in Stuttgart, noch einen weiteren Sendeplatz für Dokumentationen zu schaffen, direkt im Anschluss, montags um 23.30 Uhr. 22.45 Uhr sei künftig der "zentrale Sendeplatz für dokumentarische Einzelstücke mit besonderer Relevanz", sagte Herres, was wohl heißt, dass teure Reihen wie Legenden oder Deutschland, deine Künstler dort nicht stattfinden. Damit sei die Zahl der Dokus übers Jahr trotz Programmreform gewahrt, sagte Herres - offenbar kann auch der neue Sendeplatz von Anne Will (mittwochs) in Sommerpause der Talkerin mit dem Genre gefüllt werden.

ARD-intern wird man sich nun auch fragen, ob der einheitliche Start des Nachtmagazins um Mitternacht zu halten ist, wenn die letzte Doku um 23.30 Uhr beginnt. Aber das ist eher ein Detail im Verteidigungsfall ARD.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1082196
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.04.2011/fort
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.