Süddeutsche Zeitung

ARD-Reporter Robert Hetkämper:Zwischen Gastro und Glaube

Er ist der Mann mit dem Hut. Seit Jahrzehnten erklärt uns Robert Hetkämper im ARD-Fernsehen die weite Welt Südostasiens. Nun geht er in Rente. Eigentlich undenkbar.

Von René Martens

In Singapur schwören die Menschen auf Kobrafleisch, weil es gut ist für den Knochenaufbau, und das in Sesamöl zubereitete Ochsenfroschfleisch, das sie in Vietnam so schätzen, "ist zart und löst sich leicht vom Knöchelchen". Mit solchen Informationen in Sachen asiatische Kulinarik hat Robert Hetkämper stets das Bildungsniveau der deutschen Fernsehzuschauer gesteigert.

Seit den Achtzigerjahren berichtet Hetkämper nun mit Unterbrechungen aus Asien, zuletzt hat er 13 Jahre lang das ARD-Studio in Singapur geleitet. Zu Beginn dieser Woche ist der Journalist, der 1949 im westfälischen Gladbeck zur Welt kam, in den Ruhestand gegangen. Auch wer den Namen Hetkämper noch nicht gehört hat, wird sich daran erinnern, den Mann schon mal gesehen haben - vielleicht im Weltspiegel, vielleicht in der Reihe Gesichter Asiens, vielleicht sogar sonntagabends in Mein Ausland bei Phoenix.

Das hat mit dem Panamahut zu tun, den er meistens trägt. "Der Hut macht ihn unverwechselbar", hat Andreas Cichowicz gerade gesagt, als er Hetkämpers letzten kleinen Film für den Weltspiegel anmoderierte. Anfangs war die Kopfbedeckung aber gar nicht als optisches Alleinstellungsmerkmal gedacht. "Ich bin nun mal ein hellhäutiger Typ und bekomme schnell Sonnenbrand", sagt Hetkämper.

Wenn er über Exotisches berichtete, war es ihm stets wichtig, die Zuschauer dazu zu bringen, genauer hinzuschauen. "Asien ist erstens anders und zweitens anders, als man denkt", sagt Hetkämper in seinem letzten Film für die Gesichter Asiens. Wer, zum Beispiel, in Thailand Holzpenisse sammelt, ist keineswegs ein Lustmolch mit exklusiven Vorlieben, vielmehr gelten die Phallus-Imitate als religiöse Symbole, die Schutz bieten.

China lässt die Muskeln spielen

Die buddhistischen Mönche in Myanmar, die die Tausenden Tauben rund um ihre Tempel füttern, haben ebenfalls höhere Gründe für ihr Tun. "Wer Vögel füttert, wird für 500 Jahre zu essen haben", sagt in Hetkämpers Abschiedsfilm ein Mönch, der auch das nächste Leben im Blick hat. Solche "Grauzonen zwischen Glauben und Aberglauben" (Hetkämper) sind ja auch Westeuropäern grundsätzlich nicht unbekannt.

Nun ist Hetkämper keineswegs nur der Mann für Gastro und Glaube. "Asien steht, anders als zu Zeiten des Kalten Krieges, nicht mehr im Fokus", analysiert er. "Es sei denn, es gibt Katastrophen, dann sind wir ja immer gleich da." Er vermisst das "Antizipieren" von politischen Entwicklungen, solche Beiträge habe es früher etwa im Weltspiegel häufiger gegeben. Hetkämper meint, dass Südoastasien künftig mehr Aufmerksamkeit zuteil wird, weil China dort "seine Muskeln spielen lässt". Mit der wachsenden Macht Chinas in der Region und den Folgen für das Verhältnis zwischen den USA und China werde sich sein Nachfolger Philipp Abresch, der bisher aus dem ARD-Studio Tokio berichtete, stärker befassen müssen, glaubt Hetkämper.

Auch innenpolitisch hat Hetkämper als Journalist aufregende Zeiten miterlebt. Vom Posten des ARD-Studioleiters in Tokio wechselte er 1992 für drei Jahre ins Amt des Chefredakteurs beim NDR Fernsehen. In diese Zeit fiel die Aufarbeitung der Barschel-Affäre und der Rücktritt des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm. Als der Hoffnungsträger der Sozialdemokratie am 3. Mai 1993 als Ministerpräsident, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat abtrat, sprach Hetkämper den Kommentar in den Tagesthemen.

Obwohl es nicht unturbulent zuging im Norden Deutschlands, war Hetkämper "bald klar, dass mir die Arbeit draußen mehr zusagt", vor allem behagte es ihm nicht, Personalsparmaßnahmen exekutieren zu müssen. Es gibt aber einen Link zwischen dem Sendermanager und dem Auslandsberichterstatter Hetkämper. Als er Chefredakteur in Hamburg war, überzeugte er die Kollegen in der ARD davon, das unterhaltende Land-und-Leute-Format Weltreisen einzuführen, um für die Korrespondenten in aller Welt ein zusätzliches "Fenster" zu schaffen, wie er sagt.

Die Sendung, in der auch die Gesichter Asiens zu sehen sind, lief bisher samstags um 16 Uhr. Von diesem Wochenende an wird der nach Fernweh riechende Titel Weltreisen aber Geschichte sein. Die ARD fusioniert die Sendung Exclusiv im Ersten (überwiegend Inlandsreportagen, bisher 15.30 Uhr) und Weltreisen zu Reportage im Ersten. Am kommenden Samstag läuft - dann ab 16.30 Uhr - erstmals ein Film unter dem neuen Label. Die "Schlagzahl" der Korrespondentenberichte werde "um ein Drittel" reduziert, sagt ARD-Chefredakteur Thomas Baumann. Dass der Senderverbund die Reform nur wenige Tage nach dem Pensionsbeginn jenes Mannes umsetzt, der die Weltreisen quasi erfunden hat, ist natürlich Zufall.

Bahnhof verstehen

Die ARD baut um, "um die Kleinteiligkeit des Programmschemas im Ersten an Wochenendnachmittagen zu überwinden", sagt Baumann. Den Eindruck, die ARD fahre die Auslandsberichterstattung zurück, will er nicht aufkommen lassen. Schließlich sei man gerade dabei, Weltspiegel extra zu "etablieren". Unter dem Label sollen, in der Regel nach den Tagesthemen, vermehrt aktuelle Auslandsreportagen laufen. Im August kam das Format dreimal zum Einsatz, außerdem am Dienstag dieser Woche ("Mörderischer Ukrainekrieg").

Die Veränderungen im Programm wird der Pensionär Hetkämper von Bangkok aus beobachten. Eine Wohnung hat er dort bereits bezogen. Wie andere pensionierte Journalisten wird sich Hetkämper keineswegs ganz aus der Öffentlichkeit verabschieden. Features für den NDR will er weiterhin produzieren. Als Zweitwohnsitz für den Lebensabend hat er sich das oberbayerische Schleching ausgeguckt.

Hetkämper, der gebürtige Westfale, der beim Norddeutschen Rundfunk angestellt war und den größten Teil des Jahres auch künftig in Asien verbringen wird, hat eine "Affinität" zu Bayern, seit er als Oberbayern-Reporter für den Hörfunk des BR gearbeitet hat. Das war in den späten Siebzigerjahren. "Ich kenne in der Gegend noch ein paar Marktplätze und Bahnhöfe", sagt er.

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Quelle:
SZ vom 04.09.2014
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