ARD-Krimi:Und jetzt? Alle Handys wegwerfen?

Lesezeit: 3 min

Kommissar Bootz, verheiratet, zwei Kinder - für das Computersystem Bluesky sind Fakten wie diese auf den ersten Blick erkennbar. (Foto: SWR)

Im Stuttgarter "Tatort" ergeht es einem jungen Techie wie einst Dr. Frankenstein - und Kommissar Bootz kriegt angesichts von Big Data Panik.

Kolumne von Carolin Gasteiger

Darum geht's:

"HAL", so der Titel dieses Tatorts, handelt vom Internet, von Überwachung und ein bisschen von Frankenstein. Aber der Reihe nach: Schauspielschülerin Elena Stemmle liegt erdrosselt im Neckar. Auf einem pikanten Video ist sie mit einem Freier beim Sex zu sehen - sie arbeitete nebenher als Prostituierte für ein Online-Portal. War einer ihrer Kunden der Mörder? Vielleicht der Techie David Bogmann, über dessen IP-Adresse das Video ins Netz gestellt wurde? Aber Bogmann hat bald noch ein Problem: Der von ihm programmierte Computer fängt an, sich zu verselbständigen - was gruselige Ausmaße annimmt.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz:

"Tatort" Stuttgart
:"Warum schaltest Du mich ab?"

Ein Computersystem, das ein Eigenleben entwickelt, Snuff Videos und Big Data - wer nicht weiß, was ein Backup ist, steigt bei diesem Stuttgarter "Tatort" aus. Das wäre schade.

TV-Kritik von Holger Gertz

Bezeichnender Dialog:

Die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz treffen die Geschäftsführerin der Firma Bluesky - und tauchen in eine fremde Welt ein. Am Empfang begrüßt sie ein Mitarbeiter auf dem Computerbildschirm mit Namen, auf dem Boden weisen Leuchtmarkierungen den Weg zum Büro von Mea Welsch und überall hängen Videokameras von der Decke. Auch das Gespräch der beiden Kommissare vor dem Firmengebäude wird abgehört.

Bootz: Ist dir eigentlich klar, was die da drin machen?

Lannert: Sicherheitssysteme.

Bootz: Thorsten, wenn die von Sicherheitssystemen reden, dann meinen die Programme, die völlig selbständig handeln und entscheiden. Hast du dir mal die Homepage von denen angeschaut? Nee, oder?

Lannert: Nee.

Bootz: Pass auf (er liest auf dem Handy) : "Bluesky entwickelt Programme, die in die Zukunft blicken können. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und selbstlernender Algorithmen optimieren wir die Schnelligkeit und Präzision unserer Prognosen. Auf Grundlage dieser Prognose optimiert Bluesky fortlaufend systemrelevante Entscheidungen." Weißt du, was das heißt?

Lannert: Erklär's mir.

Bootz: Der Mensch ist außen vor.

Lannert: Na ja, vielleicht kann der Affe von Bluesky das besser als wir das können.

Bootz: Das Einzige, was diese Programme uns Menschen voraushaben, ist, dass sie ungeheure Datenmengen in immer kürzerer Zeit verarbeiten können. Damit das aber funktioniert, müssen die jede Regung, jeden Furz von dir speichern. Big Data, verstehste?

Lannert: So ist das nun mal.

Bootz: Und damit findest du dich ab, oder was?

Lannert: Ja, soll ich mein Handy wegschmeißen?

Die besten Zuschauerkommentare:

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Skurrilste Szenen:

Alle, in denen der Computer den Anwesenden echte Konversation vortäuscht und man merkt, wozu ein Computerprogramm fähig sein kann: Erst der virtuelle Mitarbeiter am Empfang, dann das vom Computer generierte Gesicht des Mordopfers, David Bogmann sehe müde aus. Selbst als er mit der "Empfangsdame" des Online-Portals "Love Adventure" spricht, merkt Bootz minutenlang nicht, dass es sich bei Milena um eine computergenerierte Figur handelt.

Top:

An charmanten Ideen mangelt es Regisseur Niki Stein bei diesem Tatort nicht: Das Computerprogramm nimmt auf dem Bildschirm die Gestalt eines Affenmenschen namens "Judy" an, benannt nach dem Schimpansen aus Daktari. Und der pfeift als Reminiszenz an Stanley Kubrick "Hänschen klein". In Kubricks Weltraumdrama "2001 - Odyssee im Weltraum" singt der Computer "HAL" das Kinderlied. Irgendwie witzig sind auch die Grafiken, die das System zu jeder Person, die es erkennt, einblendet, wie etwa Fakten zu Bootz' Familienstand.

Flop:

Hightech und Tatort - zumindest in Stuttgart passen diese Welten immer noch nicht zusammen. Vor allem der eigentlich junge und aufgeschlossene Kommissar Bootz stolpert unbeholfen durch die Datenwelt. Als wäre sein Zuschnitt ein Zugeständnis an all die Tatort-Gucker über 60, für die Ausdrücke wie Cloud ein absolutes Fremdwort sind.

Bester Auftritt:

Ken Duken tritt als Steve-Jobs-Verschnitt mit dunklem Rollkragen auf und lässt in "HAL" den jungen, hippen Programmierer raushängen. Aber richtig eindrücklich spielt Duken, als seiner Figur Bogmann klar wird, dass ihm sein eigenes Computerprogramm "Bluesky" das Zepter aus der Hand nimmt. Dann irrt sein Blick hinter den Brillengläsern wild umher und aus seiner Stimme ist die blanke Panik rauszuhören. Frankenstein lässt grüßen.

Die Erkenntnis:

"Bluesky" hat nicht nur seinen Schöpfer, sondern auch die Ermittler und die Presse an der Nase herumgeführt. Ja, Big Data kann gefährlich werden. Aber jetzt die Handys wegzuwerfen, kann auch keine Lösung sein.

Die Schlusspointe:

Und dann passierte der Mord doch nur aus einem der simpelsten Motive: Eifersucht. An der kann Big Data (noch) nichts ändern.

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