"Eigentlich dachte ich, wir wären durch mit der Hitlerei", sagt Patricia Schlesinger, Leiterin des Programmbereichs Kultur und Dokumentation beim NDR. Wenn es, suggeriert sie, nicht dieses dokumentarische Material gegeben hätte, das NDR, MDR, SWR und WDR für die ARD angekauft haben. Bei den dreimal 45 Minuten Der Krieg, die die ARD nun zeigt, handelt es sich um ein Kondensat der französischen Produktion Apocalypse, die sechsmal 52 Minuten lang ist.
Isabelle Clarke (Regie) und Daniel Costelle (Buch) haben über zweieinhalb Jahre hinweg in 17 Ländern auf Dachböden und in mehr als 100 Archiven nach unbekannten Bilddokumenten gesucht. Sie wollten eine so globale wie privat-subjektive Sicht auf das Kriegsgeschehen vermitteln.
Überdies wollten sie den Bildern die Farbe zurückgeben und verwendeten daher viel Aufwand darauf, sie in den Agfa-Tönen jener Jahre zu kolorieren. In etwas übertriebenem Eifer wurde gar ein Filmausschnitt aus dem Blauen Engel eingefärbt; lediglich Schoah-Szenen wurden in Schwarz-weiß belassen.
In Frankreich war die 3,7 Millionen Euro teure, im September von France2 ausgestrahlte Miniserie ein Erfolg - mit bis zu neun Millionen Zuschauern und von Folge zu Folge steigenden Quoten. Ähnliches wünscht sich nun die ARD. Als "sehr cineastisches Produkt" rühmt der verantwortliche NDR-Redakteur Alexander von Sallwitz die Dokumentation. Und: "Es geht darum, die Auswirkungen des Kriegs auf die Zivilgesellschaft zu zeigen."
Puristische Bilderfolge Die puristische Bilderfolge kommt ohne Reenactment, Zeitzeugen- oder Experten-Interviews aus. Anfangs künden französische Wochenschau-Bilder noch eher heiter davon, wie französische Soldaten im September 1939 im Saarland ein paar Fahrräder erbeuten. Im Straßburger Zoo wird ein Lama evakuiert. Dann aber zeigen privat gefilmte Abschiedsküsse von Soldaten am Bahnhof sowie Übungen mit Kindern, die Giftgasmasken aufziehen, dass das Unheil näherrückt. Dazwischen betten kommentierte Propagandabilder unterschiedlicher Herkunft die kleinen Szenen in den großen historischen Kontext ein.
So sehr die Aussicht auf immer weitere ungekannte Bilder den Zuschauer in Spannung hält, so sehr ist man dem Film auch ausgeliefert: Ein Großteil des Materials wird ohne Quellenangabe präsentiert. Wenn nicht der Kommentar auf die Herkunft der Bilder verweist ("die Landser filmen sich selbst in Siegerpose") oder das Material klar als Propaganda erkennbar ist, kann man es als Betrachter kaum einordnen - und muss sich diesem Bilderstrom letztlich komplett ergeben. Zumal die Farbbilder in HD zusätzlich Distanz aufheben und überdies der Kommentar sowie die von Kenji Kawai mit großem Orchester eingespielte, dramatisch-dräuenden Musik stark emotionalisieren.
Gerade in den Teilen zwei und drei, wenn der Angriff auf Pearl Harbor den Krieg zum Weltkrieg macht, und erst recht in Stalingrad und Hiroshima überwiegt der Eindruck der Atemlosigkeit. Dann tritt der leise private Blick doch wieder hinter die Dynamik des Kriegs zurück. Gleichwohl gebührt der Reihe Respekt - als Fleißarbeit und für das Verdienst, die Parallelität der Ereignisse in vielfach eindrucksvollen Bildern vorzuführen. Im Sommer will die ARD in den dritten Programmen die sechsteilige Langfassung zeigen.
Der Krieg, ARD, 21 Uhr. Weitere Teile am 8. und 15. März.