ARD-Dokumentation über Schönheit:Sie war doch so hübsch

Vom gelangweilten Modefotografen bis zur entstellten Tänzerin: Eine Dokumentation über die Sehnsucht nach Schönheit zeigt Menschen, die sie zum Geschäftsmodell gemacht haben, damit aber nicht zwingend glücklich sind. Leben verändern wird der Film nicht, aber die Zufriedenheit erhöhen.

Antje Wewer

Der Regisseur Julian Benedict ist einmal um die Welt geflogen und hat Plastische Chirurgen in New York, Rio de Janeiro, Tokio, aber auch in Mailand und München getroffen und sie um ihre Definition von Schönheit gebeten.

Die sogenannten "Talking Heads" sind auch in diesem Dokumentarfilm meist Männer vor Bücherwänden, die allerdings kluge, inspirierende Sätze sagen. Nein, der omnipräsente Dr. Werner Mang ist nicht dabei, sondern weltbekannte Kollegen wie der Amerikaner Malcolm Lesavoy oder der Franzose Laurent Lantieri.

Aufgelockert hat Benedict seine sprechenden Köpfe mit überraschenden Reportageelementen. Blut ist keines zu sehen, dafür aber viel Erhellendes. Der für seine nackten Mädchenbilder bekannte Fotograf Jock Sturges erzählt, wie sehr ihn Mode-Shootings langweilen, weil es dabei immer nur um Geld gehe. Und Geld sei niemals hübsch, immer hässlich. Aber auch er muss "die Katze füttern" und seine Kunst, also die FKK-Fotos von jungen Frauen, die offensichtlich (noch) keine Probleme mit ihrem Körper haben, finanzieren.

In Tokio träumt ein junges Mädchen von richtigen, westlich aussehenden Augenlidern und der plastische Chirurg erklärt mit einer fiesen, langen Nadel sehr detailliert wie das geht. Ja, er könne ihr den irreversiblen Wunsch erfüllen, aber ob das besser aussehe? Nein, das wisse er nicht.

Pascal Dangin, der französische Retouche-Star, zeigt, mit welchen Tricks er die Models für Vogue & Co auf Hochglanz poliert. Er selber sieht aus wie ein übergewichtiges Monchichi und stellt kopfschüttelnd und ohne wirklich zu kapieren, dass er selber Teil des Systems ist, die Millionen-Dollar-Frage: "Wohin führt uns das nur?" Nicht zum Glücklichsein. Das wird klar.

Zentrale Figur der Dokumentation ist neben dem Autor Johannes Großschlupf, dessen Gesicht durch einen Flugzeugabsturz entstellt wurde, die Deutsch-Italienerin Arianna. Eine hübsche, lebenslustige Tänzerin, die sich gutgläubig die Augen von einem Dilettanten hat unterspritzen lassen.

Die OP ging schief, nun kämpft sie mit schmerzende Knoten und hässlichen Entzündungen - vermutlich bis an ihr Lebensende. Regisseur Benedict hat sie immer wieder getroffen, sie zum Arzt und in die Disco begleitet, ihre Mutter in Italien besucht, sich Kinderfotos zeigen lassen und doch gibt es keine klare Antwort auf das Warum. Warum nur hat sie diese Schönheitsoperation machen lassen?

Wenn Arianna heute Bilder von früher sieht, versteht sie nicht mehr, warum sie überhaupt etwas an ihrem Gesicht verändern wollte. Sie war doch hübsch. Teufel Schönheit. Diese Patchwork-Dokumentation wird keine Leben verändern, aber die Zufriedenheit erhöhen. Zumindest für eine Weile.

Longing for Beauty - Sehnsucht nach Schönheit, ARD, 22.45 Uhr

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