ARD-Doku:Vom Glück der Hausfrau

100-Stunden-Woche und grenzenlose Bevormundung: Die ARD zeigt eine zweiteilige Dokumentation über das harte Leben von Frauen in den fünfziger Jahren, die das Wirtschaftswunder erst möglich machten. Ein letzter Zweiteiler, bevor das Erste seinen Doku-Sendeplatz am Montag um 21 Uhr für die neue Talk-Schiene freiräumt.

René Martens

Eine Frau kennt zwei Lebensfragen: Was ziehe ich an? Und was koche ich heute? So heißt es in einer Backzutaten-Werbung der fünfziger Jahre, einem von vielen Zeitdokumenten, mit denen Simone Jung ihre Dokumentation Das Glück der Hausfrau illustriert. Die Reklame mag amüsant wirken - damals spiegelte sie den gesellschaftlichen Konsens wider.

60 Jahre Bundesrepublik - Essen & Trinken

Im Vergleich zu heute leisteten die Haufrauen der fünfziger und sechziger Jahre noch Schwerstarbeit. Die alten Ofen mussten beispielsweise ständig mit neuen Kohlen versorgt werden.

(Foto: dpa)

Die Grundidee für den Zweiteiler, mit dem das Erste seinen Doku-Sendeplatz am Montag um 21 Uhr abschafft und für die neue Talk-Schiene freiräumt, entwickelte die Produktionsfirma zero one bereits zwischen 2005 und 2007. Damals castete man für die ARD-Dokumentationen Unsere 50er Jahre und Unsere 60er Jahre. Diese rekapitulierten die Geschichte anhand der Erzählungen von Normalbürgern. Der Aufbau von Das Glück der Hausfrau ist ähnlich: Autorin Jung spiegelt die Aussagen der Zeitzeugen über ihren Alltag in dokumentarischen Filmmaterial wider. Manchmal gelingt es ihr, das Gesagte so zu illustrieren, dass man glaubt, auf den Archivbildern die Interviewpartnerinnen in jungen Jahren zu erkennen.

Jungs Film werfe einen Blick auf die "klassischen Biographien der Frauen, die heute zwischen 60 und 80 Jahren alt sind", sagt zero-one-Chef Thomas Kufus. Viele Protagonistinnen heirateten zu Zeiten, als sich Frauen die Eröffnung eines Konto noch vom Gatten genehmigen lassen mussten und 100-Stunden-Wochen im Haushalt keine Seltenheit waren. Sie trugen dazu bei, dass das Wirtschaftswunder geschehen konnte - ohne dafür bezahlt zu werden.

Die Bevormundung nahm bizarre Ausmaße an

Eine von Jungs Gesprächspartnerinnen ist Iris Bornmann, Jahrgang 1943: Sie "will Stewardess werden, verwirft aber all ihre Träume, als sie ihren Traummann kennenlernt". Die Bevormundung hatte in jenen Jahren teils bizarre Ausmaße, Antonie Müller etwa wollte im Chor singen, doch der Gatte verbot es ihr. Oft regierten die Schwiegereltern in den fünfziger Jahren in die Ehen hinein: mit Berufsverboten für die Frau oder Vorschriften, wie der Hausherr zu bekochen sei.

Jung hat auch mit Frauen gesprochen, die mit ihrer Rolle zufrieden waren oder einen liberalen Mann geheiratet haben. Eindruck hinterlassen aber vor allem einige nahezu abgründige Schicksalsgeschichten, und man fragt sich, warum dieser Teil der bundesrepublikanischen Geschichte bisher medial unterrepräsentiert war. Auch die Veränderung weiblicher Lebenskonzepte fängt der Film auf: Der zweite Teil erzählt davon, was sich für die Frauen mit den Anfängen der Emanzipationsbewegung verändert hat. Iris Bornmann etwa hat sich später scheiden lassen.

Das Glück der Hausfrau, ARD, 21 Uhr. - Teil 2 am 22.8., ebenfalls 21 Uhr.

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