ARD-Doku "Macht. Mensch. Schröder":Schön war die Zeit

Macht.Mensch.Schröder

Der Film ist Reinhold Beckmanns (l.) Debüt nach seiner Zeit als Talkmaster.

(Foto: NDR)

Reinhold Beckmann porträtiert Gerhard Schröder - und interessiert sich mehr für den Menschen als für den Politiker. Trotz seiner gewohnt gefühligen Fragen kommt er dem Altkanzler dabei nur scheinbar nahe.

Von Nico Fried

Schröder-Fans werden diesen Film lieben. Der ehemalige Bundeskanzler und der Sound seiner Stimme; die wässrig-blauen Augen; das vorgeschobene Kinn. Die rechte Hand peitscht wieder Stäubchen vom Revers seines Sakkos; der linke Zeigefinger kratzt auch heute noch reflexhaft am Ohr des Ex-Kanzlers. Alles wie damals. Auch das Lächeln. Und natürlich Gerhard Schröders Selbstironie, die sich in seiner Mimik meist noch viel schneller und eindeutiger ausdrückt als in seinen Worten.

Schröder-Hasser werden diesen Film verachten. Weil er den Mann, den scheinbar nichts anficht, davonkommen lässt. Weil Schröder erzählt, wie wichtig ihm Kritik sei, aber im Ergebnis eigentlich keine gelten lässt. Weil Reinhold Beckmann und Falko Korth, die Autoren, den Menschen Schröder in den Vordergrund stellen und sich für die Politik seiner aktiven Zeit nicht wirklich interessieren. Nicht für die gute Politik und nicht für die umstrittene.

Sehr nah dran

Dieser Film ist quasi das Debüt Beckmanns nach seiner Zeit als Talkmaster. Was er früher mit seinen Gesprächspartnern unternommen hat, den Versuch, die Person mit direkten, manchmal sehr gefühligen Fragen zu öffnen, das macht Beckmann jetzt mit der Kamera. Sehr nah dran geht dieser Film in seinen Bildern an den Menschen Schröder. Der lässt erstaunlich viel mit sich machen, auch wenn er hie und da ein wenig grimmig schaut: Aufnahmen aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig und auch aus allernächster Nähe.

Macht.Mensch.Schröder

Der Film ist Reinhold Beckmanns (l.) Debüt nach seiner Zeit als Talkmaster.

(Foto: NDR)

Der Film erzählt vom Kind Gerhard aus ärmsten Verhältnissen, das sich hoch und an die Macht gearbeitet hat. Er streift das stets schwierige Verhältnis Schröders zur SPD. Er hält sich lange an der Frage auf, ob Schröder ein Macho sei, unterschlägt aber, dass er bei vielen Wählerinnen schlicht so gut ankam wie kein anderer Sozialdemokrat nach ihm.

Und bei vielen Wählern auch. Beckmann hat echte Freunde Schröders vor die Kamera bekommen, wie den Maler Markus Lüpertz, und langjährige Beobachter des Ex-Kanzlers wie den Journalisten Christoph Schwennicke. Auch die Gattin, Doris Schröder-Köpf, gibt bereitwillig Auskunft über Schröders Qualitäten als romantischer Eroberer (Baccara-Rosen), seinen Charakter (mutig und standhaft) und die familiären Tischsitten.

Schröders Geschichte ist auserzählt

Aber letztlich ist es genau die scheinbare Nähe, die der Film herstellt, die das Manko der Reportage offenbart: Die Geschichte dieses Gerhard Schröder ist auserzählt, jedenfalls die Geschichte, die Schröder in der Öffentlichkeit zulässt. Besonders im aktuellen Teil, wo es um seine Freundschaft zu Wladimir Putin geht, zieht sich Schröder auf sein Recht als Privatmensch zurück und bleibt im Übrigen diffus. Da kann Beckmann bohren wie er will, er erfährt nicht, was der Ex-Kanzler wirklich denkt.

So lernt man in 60 Minuten nichts wirklich Neues. Macht.Mensch.Schröder ist die bekannte Geschichte des Altkanzlers, jetzt in der Variante von Reinhold Beckmann noch einmal erzählt, schön anzuschauen, manchmal amüsant und ein Paradies für Nostalgiker. Mehr nicht.

Macht. Mensch. Schröder, ARD, Donnerstag, 22.45 Uhr.

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