Der Fußball rollt am allerschönsten in schwarz-weiß. Er rollt über Hinterhöfe, er rollt unter Wäscheleinen durch, im Hintergrund die Fördertürme der Zechen. Der Fußball rollt durch Stadien, in denen die Menschen ganz nah am Platz sitzen. Er rollt vorbei an Werbebanden, auf denen noch keine Slogans stehen, sondern sperrige Wörter: Karstadt - Ihre Einkaufsstätte.
Als die Bundesliga laufen lernte heißt der Film von Mirjam Bach und Inka Blumensaat, die NDR-Produktion ist zugleich Dokumentation, Revue und Fotoalbum. Erzählt wird die Vorgeschichte der Bundesliga und das Geschehen am allerersten Spieltag, dem 24. August 1963.
Die Filmemacherinnen verlassen sich auf die Zauberkraft der alten Aufnahmen, und sogar Bilder, die es gar nicht gibt, werden nachträglich entwickelt: Wenn Fußballer erstaunlich detailliert von Toren erzählen, die damals nicht gefilmt wurden, weil der Kameramann sein Equipment halt noch nicht ausgepackt hatte.
Die Kameras nahmen ja nie das ganze Match auf, jeder gute Kameramann folgte den Vorgaben des Meisterkommentators Ernst Huberty: "Dreht wenig, aber habt alle Tore." Das Ergebnis kam Samstagabend nach dem Wort zum Sonntag.
Darüber hinaus hält sich der Erkenntnisgewinn zwar in Grenzen, einige der Bilder und Gedanken kennt man aus Als Arbeiterjungs Fußballprofis wurden (WDR), ein Zweiteiler aus dem Jahr 2009, der ausleuchtete, wie ein Unterschichtensport zum Spielzeug des Establishments wurde.
Gutes Betriebsklima für den Spieler in der Stahlmöbelfabrik
Mit soziologischen Betrachtungen halten sich Bach und Blumensaat eher zurück, als Reiseführer für eine sentimental journey ist ihr Film trotzdem geeignet, dem man anmerkt, dass er mit Liebe gemacht ist.
Man sieht den alten Huberty, wie er Filmrollen fürsorglich in seinen Händen wiegt; man sieht auch den jungen Huberty, der mit Franz Kremer, damals Präsident des 1. FC Köln, über die Gehälter der Spieler spricht. 1200 Mark gab es pro Monat, Prämien inklusive, die Spieler arbeiteten nebenher in normalen Lohnberufen.
Gemeinsamkeiten zwischen Gastronomie und Fußball
Friedel Lutz, Eintracht Frankfurt, sagt: "Ich arbeite in der Stahlmöbelfabrik in Frankfurt und habe ein gutes Betriebsklima." Willi Schulz, FC Schalke, spricht über Gemeinsamkeiten zwischen Gastronomie und Fußball und zapft nebenbei ein stark schaumlastiges Pils. Helmut Rahn, Meidericher SV, spricht auch über die Gemeinsamkeiten von Gastronomie und Fußball, allerdings von der anderen Seite des Tresens. "Ich will nich' sagen, dass ich eventuell 'n Glas Bier ausschlagen werde. Aber ich werde zeigen, dass ich in der Bundesliga bestehen bleiben kann."
In solchen Sequenzen erzählt der Film von Arbeiterstolz und alten Werten, und er zeigt Männer, die es so heute irgendwie nicht mehr zu geben scheint.
50 Jahre alt wird die Bundesliga in diesem Sommer. Eine nicht auf Regionen beschränkte Spielklasse, eine Liga fürs ganze Land, eine Liga der Besten. So etwas hatten andere Länder längst, so etwas wollten die entscheidenden Männer im deutschen Fußball auch haben.
Je stärker die Liga, desto mehr gefordert sind die Spieler, und desto besser ist schließlich die Nationalmannschaft, in der diese Spieler spielen. Früher war alles besser? Bei aller Trinkhallenromantik: Es ging in der Bundesliga immer um Leistung. Wie sagt es Petar Radenkovic, der große Löwen-Torwart: "Bundesliga hat mein Läbben verändert."
Das Spiel - schon am ersten Spieltag überraschend
Wie Helmut Rahn - der gezeigt hat, dass er bestehen bleiben kann - ist auch die Bundesliga bestehen geblieben, sie ist ein Spektakel geworden, Kommerzding, Quasselbude.
Wenn Klopp nach dem Spiel spricht, ist das inzwischen für viele das Wort zum Sonntag. Die Bundesliga ist Bühne für Brüllaffen, auf der Tribüne, hinter den Mikros - neuerdings ist sie auch Plattform für die Besserwisser und Alleserklärer in ihren Internetblogs.
Und wenn man nicht aufpasst, kommt einer und rupft den Elfmeterpunkt aus dem Rasen. Aber die Bundesliga hat sich so etwas wie ihren Kern erhalten, das Spiel. Und das Spiel ist immer wieder überraschend, das war schon am allerersten Spieltag so, als der große HSV ins Münsterland reisen musste. Was da passierte? Uwe Seeler drückt es sehr uweseelerartig aus: "Preußen Münstä war 'ne harte Nuss."
Als die Bundesliga laufen lernte. ARD, 23.30 Uhr