Gendern in der Architektur-Zeitschrift:Die neue Titel

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Cover der ersten Ausgabe von Januar 2022. (Foto: Die Architekt)

Warum die BDA-Zeitschrift "der architekt" jetzt "Die Architekt" heißt.

Von Gerhard Matzig

Architektinnen und Architekten sind Menschen, möglicherweise auch Menschinnen, die schon berufsbedingt mit der Zeit gehen (müssen). Ständig sind sie dabei, sich neu zu erfinden. Das ist existenziell. Als zum Beispiel die gotische Kathedrale erfunden wurde, war die Romanik - zack! - von gestern. So ging das immer weiter über Renaissance, Barock, Rokoko ... stil-evolutorisch das reinste Massaker, bis irgendwann sogar Jugendstil und "Neues Bauen" alt aussahen. Gerade in der Architektur ist das Neueste immer neuer als das Neue. Nichts modert so schnell wie das Modern-Sein. Das Allerneueste aber ist, dass sich auch die altehrwürdige Fachzeitschrift der architekt neu erfunden hat. Sie heißt jetzt, ein nicht ganz kleiner Trommelwirbel erscheint schon angesichts der evolutionären, ja revolutionären Großschreibung angemessen: Die Architekt.

Du meine Güte - beziehungsweise: Wie cringe ist das denn? Der Hintergrund ist soweit klar. Die gotische Kathedrale von heute ist die geschlechtssensible Sprache. Und weil es viele Frauen im Architektenberuf gibt, der quantitativ bereits ein Architektinnenberuf ist (samt Gender-Pay-Gap als Lohnlücke zwischen Mann und Frau), hat sich der Bund Deutscher Architekten, BDA, jüngst erst in den Bund Deutscher Architektinnen und Architekten umbenannt. Gut so. 118 Jahre nach der Gründung des Berufsverbandes zwar - aber besser Neo-Rokoko als nie.

Das gilt auch für die vom BDA herausgegebene Zeitschrift, die sich nun 70 Jahre nach ihrer Gründung zur Zeitgenossenschaft verpflichtet. Ist es aber auch klug, wenn man schon im Titel einer verbandspolitischen Zeitschrift das Fehlen einiger Buchstaben als heiteres Beruferaten inszeniert? Die Architekt? Wie bitte? Es könnte natürlich Die Architektin heißen. Leider wäre das, es gibt auch männliche Architekten und sogar diverse Architekten, sexistisch und exkludierend. Also wie, hm, seit 70 Jahren schon. Abgesehen davon könnten dem BDA ein Extra-"I" und ein Extra-"N" zu teuer gewesen sein, weil das Budget bereits für die extravagante Großschreibung und die beauftragte Berliner Kreativ-Agentur draufgegangen ist. Oder soll es heißen: Die Architektur? Dann würde das "ur" fehlen - ein lässiger Hinweis, wie wenig urtümlich, urnenartig oder auch uralt man doch ist. Trotz der 118 Jahre.

Aber tatsächlich geht es, wie man das im Editorial der jetzt mit stark verbesserter XX-Formel erschienenen Publikation nachlesen kann, um "die rhetorische Figur der Ellipse". Gemeint ist eine Auslassung. Die Architekt muss man so im Geiste vervollständigen: Die (jetzt bitte mitdenken: Zeitschrift) Architekt. Nun hat man erstens den alten Titel aus der architekt denkmalpflegerisch korrekt zitiert und zweitens die weibliche und männliche Form in top angesagter Weise zwangsverheiratet. Man könnte das, wäre es - "die Komplexität und Widersprüche des Berufsfeldes" dadaistisch karikierend - nicht um so viele bizarre Ecken herum gedacht, wie es sie sonst vielleicht nur noch im Bauhausgebäude in Dessau gibt, fast schon charmant grotesk finden.

Leider stellt es Frauen, die Architektinnen sind, sich aber trotzdem stilbewusst nicht als Die Architekt bezeichnen möchten, möglicherweise vor die Frage, ob ihr ernstes Anliegen ernst genommen wird. Mit besonders herzlichen Grüßen (denn Die Architekt ist auch mit Dada-Titel vorzüglich) zeichnet: Die Süddeutsche - bitte ellipsoid jetzt mal kurz mitdenken - Zeitung.

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