Süddeutsche Zeitung

"Bravo" und "Apotheken Umschau":Viel zu tun für Dr. Sommer

"Apotheken Umschau" und "Bravo" werden 66. und feiern gemeinsam mit einer "Rentner-Bravo". Ein Blick ins Heft

Von Cornelius Pollmer

Mancher Witz wird irgendwann Wirklichkeit und zum Club gehört ab Ende dieser Woche ein Magazinchen mit dem schönen Titel "Rentner-Bravo". Die Begriffspaarung war lange eine spöttische Zuschreibung für Deutschlands führendes Aua-, Ächz- und Knirsch-Fachblatt - die Apotheken Umschau. Die Wirklichkeit besteht nun in einer einmaligen tatsächlichen Bravo für Senioren sowie andere Erwachsene als Teil der nächsten Umschau und ist hauptsächlich, jedoch nicht nur, ein PR-Ereignis anlässlich des 66. Geburtstages beider Zeitschriften in diesem Jahr.

Auf fünf Doppelseiten plus Titel geht es zur Sache, vorne drauf steht der Schriftzug Bravo sogar im originalen Satz, "mit freundlicher Genehmigung ... der Heinrich Bauer Verlag KG". Mehr denn je stellt sich für die folgende Blattkritik natürlich die Frage, ob man es bei diesem Produkt überhaupt mit einem Widerspruch zu tun hat, mit einer Überdosis Oxymoron forte. Oder ob der Hybrid "Renter-Bravo" nicht eher in die Kategorie dieser cremigen Animationen aus der Eiswerbung gehört, wo grobe Salzkörner in klebrigem Karamell einschlagen und knackfrische, feinsäuerliche Beeren von weißer Schokolade sanft gebunden werden - wo also nur scheinbare Gegensätze sehr schlüssig aufgelöst werden und man sich hinterher an den Kopf fasst, weil man nicht glauben kann, dass da vorher keiner drauf gekommen war.

Alles dabei: Foto-Love-Story und eine Startschnitt-ähnliche Doppelseite "Virus-VIPS"

Eindeutig letzteres. Dieses kleine Heft steckt voller Liebe, die erste große Portion davon bekommt in der "(Traubenzucker-)süßen Foto-Love-Story" eine Single-Lady namens Ingrid ab, deren sehr anstrengendes Selbstdarsteller-Date Dieter ihr nicht mal einen Schluck von seiner Cola abgeben will. Die drohende Unterzuckerung wendet der am Nachbartisch in tatkräftiger Bereitschaft wartende Apotheker Peter ab, indem er eine Tüte Gummibärchen aus der Innentasche seines Jacketts zaubert. Tags drauf trifft man sich wieder, in der Apotheke notiert Peter seine Telefonnummer auf einem Exemplar der Umschau und dazu als Packungsbeilage den Satz "Würde mich freuen!" Das letzte Bild zeigt Ingrid und Peter mit verliebten Blicken, eindeutige Prognose: weitere gemeinsame Verstoffwechslungen nicht ausgeschlossen.

Auf die anschließende Starschnitt-ähnliche Doppelseite über die "Virus-VIPs" der Pandemie folgt die Sprechstunde von Dr. Sommer und wird zum Highlight, gerade weil hier der Spaß kurz aufhört. "Sigrun, 53" blickt im Angebots-Wirrwarr der Gleitgele auf Wasser-, Silikon-, und Ölbasis nicht mehr durch, "Georg, 58" wendet sich mit offener Ratlosigkeit seine Frau betreffend an die Redaktion: "Sie glaubt, ich will sie nicht mehr". Was hier passiert, auf und zwischen den Zeilen, ist schlicht sehr entspannter Service-Journalismus für Menschen, die auch den inneren Frühling nach wie vor schätzen.

Von dort ist der Weg nicht weit zum abschließenden Interview mit Marianne Koch, heute Autorin, früher unter anderem Ärztin und Kolumnistin der Apotheken Umschau. Koch ist soeben 90 geworden und strahlt voller Lebensmut. Wobei selbst sie zugestehen muss, der 90. sei "ein blöder Geburtstag. Der hat schon eine andere Dimension als der 80."!

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