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Antitalkshow: Zwei Männer vom Fach: Gastgeber Jerry Seinfeld (r.) und Talkmaster Jay Leno kurven lustig herum.

Zwei Männer vom Fach: Gastgeber Jerry Seinfeld (r.) und Talkmaster Jay Leno kurven lustig herum.

(Foto: Netflix)

Jerry Seinfeld fährt jetzt für Netflix mit Kollegen Kaffee holen. Nicht selten stehlen die Autos den Comedians die Schau. Es gibt aber auch großartige Momente - die nun schneller erreichbar sind.

Von Jürgen Schmieder

Jerry Seinfeld hasst Talkshows - also produziert er mal schnell eine Talkshow. Das ist natürlich eine hanebüchene Idee, so wie es vor knapp 30 Jahren eine völlig wahnwitzige Idee gewesen ist, eine Fernsehserie vorzuschlagen, in der es um überhaupt nichts geht. Seinfeld war die postmoderne Antwort auf all die Heile-Welt-Sitcoms der 80er und 90er, so wie Comedians in Cars Getting Coffee nun eine erfrischende Reaktion auf die meist öden Promi-Auftritte in Late-Night-Talkshows ist.

Womöglich hasst Seinfeld die handelsüblichen Talkshows so sehr, weil er von Larry King mal wunderbar vorgeführt worden ist und darauf nicht gerade souverän reagiert hat. Auf eine zugegebenermaßen blöde Frage ("Ihr wurdet nicht abgesetzt, oder?") plusterte er die Pfauenfedern auf und zeigte der Welt, was für ein arroganter Sack er doch eigentlich ist. Er mag diese Sieben-Minuten-Auftritte von Promis aber auch deshalb nicht, weil der zuvor besprochene Dreiklang aus witziger Anekdote, scheinbar spontaner musikalischer/komödiantischer Einlage und hemmungsloser Werbung fürs aktuelle Projekt meist harmlos und damit stinklangweilig bleibt. "Ich will nicht hier sein", sagte er vor ein paar Jahren mal als Gast von Seth Meyers.

Es gibt nun also seit 2012 diese Sendung, in der sich Seinfeld mit anderen Komikern in ein legendäres Auto hockt - das kann ein 1970 Mercedes-Benz 280 SL sein, ein 1959 Porsche RSK Spyder oder ein 1976 Lamborghini Countach - und Kaffee besorgt. Sie lief zunächst beim Onlineportal Crackle und wird künftig bei Netflix zu sehen sein. Dieses Setting, Leute in Autos, funktioniert ja auch bei Carpool Karaoke von James Corden so prächtig, weil dem Zuschauer Intimität vorgegaukelt wird und sich die Promis sicher vor kniffligen oder doofen Fragen fühlen dürfen.

59 Folgen gibt es mittlerweile, im kommenden Jahr werden 24 neue hinzukommen. Zugegeben: Sehr viele Episoden sind nicht viel unterhaltsamer als Promi-Interviews in Talkshows, sehr häufig zeigt Jerry Seinfeld der Welt lediglich, was für ein geiler Typ er doch eigentlich ist. Nur, und das ist das Wunderbare an Streamingportalen: Der Zuschauer kann auf all die langweiligen Momente verzichten und nur Folgen gucken, die wirklich unterhaltsam sind.

Es gibt großartige Augenblicke in Comedians in Cars Getting Coffee, wenn etwa Michael Richards und Jason Alexander noch einmal als Kramer und George aus Seinfeld auftreten, wenn der Gastgeber und Fred Armisen elend lange in einem Hipster-Café warten und feststellen, dass Fledermäuse so aussehen wie Hamster, die eine tolle Idee haben. Oder natürlich, wenn der frühere US-Präsident Barack Obama zugibt: "Ich habe bei Umfragen immer bei Kindern im Alter von null bis neun Jahren am besten abgeschnitten. Die lieben mich!"

Der Zuschauer ist bei Streamingportalen in der wunderbaren Lage, dass er nicht mehr jeden Mist gucken muss, der ihm da vorgesetzt wird. Deshalb am Ende noch ein paar Folgen, die wahren komödiantischen Zauber entfalten: die mit Alec Baldwin, Bob Einstein und Jon Stewart.

Comedians in Cars Getting Coffee, bei Netflix.

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