Antisemitismus-Vorwurf:"Sein Gag war keiner, denn er hatte keine Pointe"

10 10 2018 xkhx GER Frankfurt am Main Messe Fair Frankfurter Buchmesse 2018 Oliver Polak ist Deu

Oliver Polak präsentiert sein Buch "Gegen Judenhass" auf der Frankfurter Buchmesse.

(Foto: imago/Hartenfelser)
  • In seinem gerade erschienenen Buch "Gegen Judenhass" schildert Oliver Polak Situationen, die er in seinem Leben als Jude in Deutschland erlebt hat.
  • Eine dieser Geschichten enthält eine fragwürdige Szene mit einem Moderator.
  • Nun wird bekannt, dass es sich dabei um Jan Böhmermann handelt.

Der Komiker Oliver Polak beschreibt in seinem Buch "Gegen Judenhass", das kürzlich im Suhrkamp-Verlag erschienen ist, viele Situationen und Geschichten, die er in seinem Leben als Jude in Deutschland erlebt hat. Es sind Geschichten voller Stereotype und Beleidigungen, antisemitischer Klischees und verletzender Witze. Die Namen der Personen, die darin auftauchen, nennt er nicht. Und doch sorgt eine dieser Geschichten nun für mediale Aufregung.

Sie geht so: Nach einem Stand-up-Auftritt im Jahr 2010 wird Polak von drei Kollegen als Teil der Showeinlage von der Bühne gejagt, während sie vorspielten, sich vor ihm, dem Juden, zu ekeln. Einer der drei Komiker fragt: "Habt ihr ihm die Hand gegeben?" Daraufhin besprüht er ihre Hände mit einem auf der Bühne platzierten Desinfektionsspray.

Wie der Journalist und Medienkritiker Stefan Niggemeier in der Wochenzeitung Der Freitag nun schreibt, handelt es sich bei dem Mann mit Desinfektionsmittel um den Moderator und Satiriker Jan Böhmermann. Der Sketch war Teil der Show zum 25. Bühnenjubiläum des Komikers Serdar Somuncu. Moderiert wurde der Abend von Klaas Heufer-Umlauf und Jan Böhmermann. Es waren diese drei Männer, die den Judenwitz auf der Bühne spielten. Belegen, so schreibt Niggemeier im Freitag, ließe sich das ganz einfach: Ein Video des Auftritts findet sich auf der Somuncu-DVD "Der Hassprediger: Hardcore Live!".

Brisant wird diese Geschichte nun auch dadurch, weil sie dafür sorgte, dass Polaks neues Buch "Gegen Judenhass" nicht bei seinem alten Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi) erscheinen konnte. In einem Interview mit der Welt am Sonntag warf Polak dem Verlag Zensur vor, weil man von ihm verlangte, die betreffende Stelle aus dem Buch zu streichen. Ebenfalls in der Welt am Sonntag bezeichnete KiWi-Verleger Helge Malchow die Passage hingegen als "eine absolut gegenstandslose Unterstellung". Den Namen Böhmermann - der Moderator veröffentlicht ebenfalls bei KiWi - nannte Malchow jedoch nicht, er fügte aber hinzu: "Wenn man diesen Autor und seine Arbeit kennt, dann weiß man, dass dieser Autor nicht in Zusammenhang mit Antisemitismus zu bringen ist."

Polak veröffentlichte sein Buch daraufhin im Suhrkamp-Verlag, die umstrittene Passage blieb erhalten. In der Geschichte mit dem Desinfektionsspray stellt er sich die Frage: "Sollte das Ironie sein? Wem genau galt sie? Imitierte er mit seiner Geste einen Antisemiten, oder sprach einer aus ihm? Fakt ist: Sein Gag war keiner, denn er hatte keine Pointe. Er bildete lediglich den Antisemitismus des Dritten Reiches ab."

Oliver Polak hat sich dafür entschieden, die Anonymität der Personen in seinem Buch zu wahren. Dass aber Journalisten Böhmermann nicht für das Publikum identifizieren würden, so der Medienkritiker Niggemeier, sei problematisch. In einem Spiegel-Artikel wird beispielsweise der Rapper Haftbefehl als einer der Protagonisten von Polaks Buch enthüllt, nicht jedoch Jan Böhmermann.

Dabei ist der Vorfall mit dem Desinfektionsmittel kein Einzelfall. Im Interview mit der Welt am Sonntag berichtet Polak von einer Situation, die, wie Niggemeier beschreibt, ebenfalls auf der erwähnten DVD von Serdar Somuncu zu sehen ist: Während sich Heufer-Umlauf und Polak während der Proben unterhalten, taucht Böhmermann im Hintergrund des Bildes auf, zeigt auf Polak und flüstert immer wieder das Wort "Jude". "Krank, so richtig besessen", nennt Polak das in seinem Interview.

Als Polak 2015 Gast in Böhmermanns ZDF-Sendung Neo Magazin Royale war, kündigte der Moderator ihn mit den Worten an: "Nächste Woche kommt Oliver Polak, weil der Mossad das will." In seinem Buch beschreibt Polak, wie er gegen diese Fixierung auf sein Jüdischsein protestierte. Der Moderator aber habe nur gelacht und entgegnet: "Sorry, aber dein Judentum ist dein Unique Selling Point, da musste jetzt durch."

Auf Twitter schreibt Jan Böhmermann nun:

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