Weitaus gemäßigter präsentierte sich in der Sendung mit Katerina Barley die zweite Debütantin in Sachen Außenpolitik. Die Justizministerin wird als SPD-Spitzenkandidatin im kommenden Jahr in die Europawahl ziehen, auch sie muss daher außenpolitische Kompetenz nachweisen. Sie tat dies, indem sie sich sehr besonnen gab: "Ich warne davor, den Vorfall abschließend zu beurteilen", sagte sie in Hinblick auf das ukrainisch-russische Scharmützel im Schwarzen Meer.
Barleys Werben für Umsichtigkeit ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn nur die wenigsten wissen, was sich an der Meerenge von Kertsch genau abgespielt hat. Dazu passte die zutiefst realpolitische Mahnung der SPD-Politikerin, dass viele geopolitische Fragen nicht ohne Russland zu lösen sind. Ein Land, das zwar ein schwieriger Partner sei, doch auch mit solchen müsse man reden. Womit sie dann endlich den Bogen zu SPD-Idol Willy Brandt gespannt hatte, denn "wie ist der Kalte Krieg zu Ende gegangen?" "Ich will auf die Ost-Politik von Willy Brandt hinaus", sagte sie und wirkte dabei äußerst zufrieden.
Sehr zum Verdruss allerdings von Christoph von Marschall, für den solche Aussagen ganz offensichtlich nichts anderes als Appeasement-Politik gegenüber einem Aggressor wie Russland darstellen: "Ich werde unruhig, wenn wir nicht mehr bereit sind, Unrecht "Unrecht" zu nennen, polterte er. Für den Tagesspiegel-Korrespondenten liegen die Dinge im Gegensatz zu Barley auf der Hand: "Die Ukraine ist das Opfer." Was Russland in der Meerenge von Kertsch veranstaltet habe, sei ein schwerer Bruch des Friedens und des Völkerrechts.
Er schlägt Sanktionen gegen Russland vor, von denen er meint, dass diese den Kreml zum Umdenken veranlassen: Die Bundesregierung solle der Pipeline "Nord Stream 2", die Deutschland künftig mit russischem Gas versorgen soll, die politische Unterstützung entziehen.
Man kann Zweifel an solchen Vorschlägen haben, denn vier Jahre westliche Sanktionspolitik haben nicht dazu geführt, dass Russland irgendwo einlenkte. Der Linkspartei-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch hält von Marschall deswegen entgegen: "Sie haben eine Medizin, die wirkt nicht, und sie sagen: 'Mehr davon. Das ist ihre Theorie!'*
Es ist der Politologe Münkler, der versucht, die beiden am weitesten von einander entfernten Antipoden dieses Abends - Dietmar Bartsch und Christoph von Marschall - in ein Boot zu holen. Und zwar im Sinne der letztlich entscheidenden Frage: "Wie können wir es schaffen, dass die Ukraine wieder zu Frieden findet?"
Der Westen, so Münkler, habe nämlich de facto kaum Optionen, Russland zu irgend etwas zu zwingen. "Wir müssen kühl strategisch analysieren, wozu wir bereit sind, wozu wir in der Lage sind." Westliche Verhandlungskunst müsse darin bestehen, Sanktionen, die von Marschall vorschlägt, und Gratifikationen, die er - Münkler - selbst wiederum für sinnvoll hält, gegenüber Russland ganz pragmatisch anzudrohen oder in Aussicht zu stellen, ohne den rechtlichen oder moralischen Zeigefinger zu erheben.
Eine Chance für den Frieden? Es wird sich erweisen.