TV-Kritik:Grün-gelber Flirt

Anne Will; Anne Will; Anne Will 19.9.2021 Sendungsfotos Lindner Habeck Esken

Lindner und Habeck: Beide begegnen sich mit auffälliger Wertschätzung in dieser Sendung

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs; NDR/Wolfgang Borrs/NDR/Wolfgang Borrs)

Anne Will lässt ihre Gäste nicht über das Triell diskutieren, sondern wählt als Thema den Klimaschutz. Dabei kommen sich zwei Herren auffällig nahe.

TV-Kritik von Peter Fahrenholz

Manchmal ist es gut, wenn man nur eine Woche Zeit hat, um einen Fehler zu korrigieren. Vor einer Woche hat Anne Will in ihrer Talkrunde über das Triell diskutieren lassen und das Ergebnis war so vorhersehbar wie langweilig. Jens Spahn lobt Armin Laschet, Malu Dreyer lobt Olaf Scholz, Katrin Göring-Eckardt lobt Annalena Baerbock. Den anderen beiden Gästen wurde damit wertvolle Zeit zur Analyse gestohlen.

Weil am Sonntagabend das dritte und letzte Triell stattfand, blieb Anne Will gar nichts anderes übrig, als die Versuchsanordnung zu ändern. Statt über das Triell diskutieren die Teilnehmer über ein Thema, das von seiner Bedeutung alle anderen Themen überragt. Titel der Sendung: "Noch eine Woche bis zur Wahl - was ist uns das Klima wert?" Hätte eine gute Idee sein können, für SPD, Grüne und FDP sind mit Saskia Esken, Robert Habeck und Christian Lindner die Vorsitzenden da, weil Armin Laschet triellmäßig verhindert ist, sitzt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier in der Runde. Der kommt immer so ein bisschen wie der milde Großvater rüber, hat aber, wie sich zeigen soll, seine ganz eigenen Methoden, eine Gesprächsrunde zu kapern.

In so einer Runde routinierter Redezeitverschwender angemessen zu Wort zu kommen, ist nicht einfach, aber die SZ-Journalistin Cerstin Gammelin versucht immer wieder, dazwischenzugrätschen und attestiert relativ zu Beginn der Sendung allen vier Parteien, dass ihre Wahlprogramme zum Thema Klimaschutz nicht zur Realität passen. Vor allem, weil niemand der Bevölkerung ehrlich erklärt, was auf sie zukommen wird.

Man wäre ja gerne mal dabei, wie so eine Sendung vorbereitet wird. Anne Will und ihr Staff, wie Hansi Flick sagen würde, haben es bedauerlicherweise für eine gute Idee gehalten, Habeck und Lindner zu Beginn mit der Frage zu traktieren, ob eine mögliche Koalition zwischen ihnen am Klimaschutz scheitern könnte, was zu sehr detailreichen Erläuterungen führt. Wenn man nicht gerade eine TV-Kritik schreiben müsste, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen, um ins Bett zu gehen.

Bouffier ergreift das Wort und gibt es einfach nicht mehr her

Allerdings hätte man dann den interessantesten Teil der Sendung verpasst: Wie Habeck und Lindner, die beide gerne Finanzminister werden würden, sich mit auffälliger Wertschätzung begegnen, dem anderen immer wieder mal beipflichten oder bei dessen Beiträgen wohlgefällig lächeln oder nicken. Beide wissen, dass sie nach der Wahl mit Sicherheit in allen möglichen Sondierungsrunden zusammensitzen werden und danach vermutlich in einer gemeinsamen Regierung, egal, wer der dritte Partner ist. Und beide machen nicht den Eindruck, als würden sie das schlimm finden, im Gegenteil.

Am schwersten hat es Saskia Esken, die deutlich am wenigsten zu Wort kommt, was auch daran liegt, dass Anne Will die Gesprächsführung mehr und mehr entgleitet. Das wiederum hat stark mit dem freundlich lächelnden Großvater aus Hessen zu tun. Denn der praktiziert eine Methode, mit der er auch in CDU-Gremiensitzungen oder Ministerpräsidentenkonferenzen die Geduld aller anderen aufs Äußerste strapaziert: Er ergreift das Wort und gibt es einfach nicht mehr her.

Auch als Esken, die von Bouffier immer wieder als Eskens angesprochen wird, deutlich macht, dass sie jetzt auch mal wieder drankommen will und Will dem hessischen Regierungschef energisch ins Wort fällt, redet der seelenruhig weiter. "Ich find's nicht fair", sagt Will hilflos zu Bouffiers Redeschwall. Und dann ist die Sendung auf eine Weise zu Ende, die keinem Talkmaster und keiner Talkmasterin gefallen kann: Abrupt und ohne ein Schlusswort wird zu den "Tagesthemen" geschaltet.

TV-Kritik: Peter Fahrenholz wünscht sich, dass Talkshows nicht immer dieselben Gäste einladen. Denn politische Diskussionen brauchen spannende Argumente statt altbekannter Standpunkte.

Peter Fahrenholz wünscht sich, dass Talkshows nicht immer dieselben Gäste einladen. Denn politische Diskussionen brauchen spannende Argumente statt altbekannter Standpunkte.

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