Süddeutsche Zeitung

Analyse:Traurige Serie

Mit eigenen Produktionen wie "Danni Lowinski", "Kommissar Rex" oder "Der Bulle von Tölz" hat der Privatsender Sat 1 früher das deutsche Fernsehen geprägt. Jetzt droht der Sender an seinem Markenkern zu scheitern.

Von David Denk

Gleich sechsmal ist das Sat 1-Krimidrama Berlin Mordkommission 1 für den Deutschen Fernsehpreis 2016 nominiert, der am Mittwoch in abgespeckter Form verliehen wird. Die Anerkennung der Jury, auch in der wichtigsten Kategorie "Bester Fernsehfilm", hat einem Sender wohl selten so gut getan wie in diesem Fall Sat 1, denn das Jahr 2015 war ein bemerkenswert durchwachsenes für den Privatsender. Jochen Ketschau, verantwortlich für deutsche Filme und Serien bei Sat 1 und damit auch für Berlin Mordkommission 1, spricht von "ausgeprägten Höhen und Tiefen".

Unter den sehr vielen deutschen Privatkanälen hatte der Sender Sat 1 traditionell immer ein klares Alleinstellungsmerkmal: Sat 1 war der Sender der selbst gemachten Filme und Serien, Kommissar Rex und Der Bulle von Tölz oder später Danni Lowinski waren echte Klassiker der deutschen Fernsehunterhaltung. Und jetzt? Scheint der Sender aus Unterföhring an seinem eigenen Markenkern zu scheitern.

Für US-Serien braucht bald keiner mehr deutsches Fernsehen

Gerade mal 2,41 Millionen Zuschauer schalteten Anfang Dezember Mordkommission Berlin 1 ein, der Marktanteil des Eventfilms lag bei 8,5, Prozent. "Unser Mut, Neues auf den Weg zu bringen, wurde von den Zuschauern leider nicht in dem Maße honoriert, wie wir es uns gewünscht hätten", sagt Ketschau. Aber: "Wir lassen uns auf keinen Fall davon abbringen, weiterhin an großen TV-Events zu arbeiten." Er verweist auf "Leuchttürme in der Deutschen Fiction von Sat 1" wie Der Minister, Die Hebamme und Die Udo Honig Story, von denen allerdings nur letzterer im vergangenen Jahr erstausgestrahlt wurde.

Der Sender hatte zwar auch in anderen Bereichen mit Flops zu kämpfen, zum Beispiel beim Pseudo-Reality-Experiment Newtopia, doch vor allem bei deutschen Fernsehfilmen und Serien häufen sich die Misserfolge, den Sender scheint sein Gespür für den Publikumsgeschmack verlassen zu haben (was man freilich auch über die hochgelobte, aber quotenschwache Serie Deutschland 83 beim Konkurrenten RTL sagen könnte). Vor allem das Scheitern von Mila hat den Sender hart getroffen. Nach nur zwei Wochen und zehn Folgen sah Sat 1 sich gezwungen, die groß beworbene romantische Daily-Soap aus dem Programm zu nehmen und beim Schwestersender Sixx zu versenden.

"Wir wollen Frauen ins Herz treffen", hatte der damalige Sat 1-Geschäftsführer Nikolas Paalzow seinen Anspruch im Februar formuliert. Mit seinem Rücktritt im Oktober übernahm er dann die Verantwortung dafür, die gesetzten Ziele nicht erreicht zu haben. Problematisch sind die Schwierigkeiten mit den deutschen Eigenproduktionen auch, weil man bei Sat 1 und den anderen deutschen Privatsendern natürlich eines weiß: Mit eingekauften US-Programmen wird es immer schwieriger werden, sich von der neuen Konkurrenz wie Netflix oder Amazon zu distanzieren. Dafür braucht bald niemand mehr das deutsche Fernsehen.

Die Lehren, die Ketschau aus dem Flop-Jahr 2015 für 2016 zieht, klingen weniger nach Wagnis als nach Konsolidierung durch Bewährtes: "Verstärkt setzen wir wie in der erfolgreichen Sat 1-Historie auf große TV-Events und Movies über Frauenschicksale, die wir mit einem modernen Blick und neuartiger Machart erzählen." Die Hoffnungen lasten insbesondere auf drei Schauspielerinnen, mit denen Sat 1 an gemeinsame frühere Erfolge anknüpfen will: Ex-Danni Lowinski Annette Frier kehrt in einem Organspende-Drama und in einem Actionkrimi zurück, Felicitas Woll spielt nach dem Ehegewaltdrama Die Ungehorsame in einem Liebesdrama und Josefine Preuß soll mit Die Hebamme II die Quoten von Die Hebamme wiederholen. Innovativ ist das nicht; aber zumindest ein bisschen Markenkern.

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Quelle:
SZ vom 12.01.2016
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