Analyse:Ein Jahr danach

U.S. President Donald Trump's First Year In The Oval Office

Donald Trump mit Pressevertretern im Oval Office.

(Foto: Mike Theiler/Bloomberg)

Seit Donald Trump Präsident ist, hat sich das Verhältnis der Amerikaner zu ihren Medien stark verändert. Vor allem junge Erwachsene trauen Fernsehen und Presse kaum noch.

Von Johannes Kuhn

Der US-Präsident vergibt nicht nur "Fake News Awards" wie an diesem Mittwoch unter anderem an CNN und die New York Times. Er sieht sich auch im "Krieg mit den Medien", gegängelt von Journalisten, den "vielleicht unehrlichsten Menschen der Welt". Seit Trumps Amtsübernahme vor einem Jahr hat sich das Verhältnis der Amerikaner zu den Medien stark verändert.

So stimmten 89 Prozent der US-Demokraten 2017 in einer Umfrage der Aussage zu, dass Medien grundsätzlich eine Kontrollfunktion über die Politik ausüben. Bei den Republikanern fanden das nur noch 42 Prozent - bei ihnen hat sich die Zustimmung innerhalb eines Jahres fast halbiert.

Kritische Medien sind Trumps Feindbild - und sein Megafon

Während die sogenannten "Mainstream-Medien" also gesamtgesellschaftlich an Bedeutung verlieren, festigen sie im tendenziell progressiven Lager ihre Reputation als Wahrheitsforscher. CNN landete erstmals seit 1995 wieder unter den zehn meistgesehenen Kabelsendern, New York Times und Washington Post verzeichneten Rekord-Abonnentenzahlen. Für die Branche sind das gute Nachrichten. Der Preis dafür sind allerdings ständige Anfeindungen aus der Anhängerschaft Trumps.

Unter dem 45. US-Präsidenten sind Lärm und Relevanz nur schwer zu trennen: Eine Analyse des Meinungsforschungsinstituts Pew ergab, dass Journalisten in den ersten hundert Trump-Tagen bei drei Viertel ihrer Berichterstattung Führungsstil und Charakter des US-Präsidenten in den Mittelpunkt stellten. Nur jede vierte Geschichte drehte sich um politische Inhalte.

Nancy Gibbs, die ehemalige Chefin des Magazins Time, beschreibt das Verhältnis zwischen Trump und der Presse als eine Form von "Co-Abhängigkeit": Beide arbeiten sich aneinander ab und sind doch aneinandergekettet. So findet Trump in den kritischen Medien nicht nur ein Feindbild, sondern eben auch ein Megafon.

Nichts spiegelt diese Wechselwirkung besser wider als sein Verhältnis zum Sender Fox News. Seine Tweets beziehen sich oft auf Beiträge in der Frühsendung Fox and Friends, die dem Präsidenten und seinen Anhängern eine spezielle "Wahrheit" serviert: Sie speist sich aus Trumps Lieblingsthemen - der vermeintlichen Verwicklung Hillary Clintons in illegale Geschäfte und einer angeblichen Verschwörung gegen den Präsidenten. Gleichzeitig lenkt der Sender seine Aufmerksamkeit. Etwas überspitzt formuliert heißt das: Trump ist Fox-News-Programmchef. Und Fox News gestaltet das Programm von Trump.

Der Glaubwürdigkeit im eigenen Lager schadet das nicht: In einer repräsentativen Umfrage der Knight-Stiftung gaben zwar nur 42 Prozent der Republikaner an, eine objektive Nachrichtenquelle nennen zu können. Diejenigen, die es konnten, meinten in sechs von zehn Fällen: Fox News.

Doch auch das Selbstbild des progressiven Lagers - das rationale Amerika gegen die Ideologen von rechts - hat blinde Flecken. Viele Trump-Kritiker sind von einer Verschwörung zwischen Trump, Wladimir Putin und anderen konservativen Einrichtungen und Persönlichkeiten überzeugt. Diese Sichtweise hat Veränderungen in der Wahrnehmung zur Folge: Einst hatten Organisationen wie FBI und CIA unter Demokraten einen schlechten Ruf; nun gilt jedes Fitzelchen, das Sicherheitskreise anonym an New York Times, CNN und Co. durchstechen, als Heldentat für die Demokratie.

Viele Berichte über das Chaos im Weißen Haus beruhen auf Darstellungen anonymer Quellen. Doch weil Leser deren Absichten nicht kennen, diskutieren Reporter jetzt die Grenzen solcher Berichterstattung - auch, weil die fehlende Urheberschaft es Trump-Sprechern ermöglicht, solche Artikel als Fake News abzuqualifizieren. Fehler einzelner Reporter verstärken dieses Narrativ. Im Dezember berichtete ein NBC-Reporter unter Berufung auf anonyme Quellen, dass Trump seinen Berater Michael Flynn im Wahlkampf 2016 angewiesen habe, Kontakt zu Russland herzustellen. Allein: Die brisante Information entpuppte sich wenig später als falsch. Seitdem ruft die politische Rechte bei jeder anonymen Enthüllung: Fake News!

Dieser Kampfbegriff ist zum dehnbaren Label geworden: Vier von zehn Republikanern sind der Meinung, dass für sie auch faktisch korrekte Nachrichten Fake News sind, sofern sie einen Politiker oder eine politische Gruppe in schlechtem Licht erscheinen lassen. Dahinter steckt eine Grundsatzkritik: Zwei Drittel der Befragten geben in der oben zitierten Knight-Umfrage an, dass Nachrichtenmedien Fakten nicht ausreichend von Meinungen trennen. 1984 waren noch 58 Prozent der Meinung, dass die Medien hier sauber unterscheiden. Journalisten, so offenbar der Eindruck, schieben ihrem Publikum immer stärker die eigene Weltanschauung unter.

Die jüngere Generation hat eine noch radikalere Haltung: In einer neuen Umfrage von PBS und NPR erklären 71 Prozent der amerikanischen Erwachsenen unter 29 Jahren, ihrer bevorzugten Medienmarke mehr zu vertrauen als Trump. Mehr als zwei Drittel der Befragten geben aber ebenfalls an, nur wenig oder gar kein Vertrauen in die Medien zu besitzen. Dies ist kein Widerspruch, sondern signalisiert das Bedürfnis, statt Institutionen der eigenen Intuition zu vertrauen.

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