Süddeutsche Zeitung

"Amo":Anti-Drogenkrieg, Staffel 1

Auf den Philippinen sorgt eine Netflix-Serie für Streit: Kritiker halten sie für Werbung für die harte Anti-Drogen-Politik von Präsident Rodrigo Duterte und fordern die Absetzung der Serie. Regisseur Brillante Mendoza weist die Vorwürfe jedoch zurück.

Von Arne Perras

Die philippinische Mutter hat ihre Petition kurz gehalten, ein Appell an Netflix in drei Absätzen. Der Dienst sollte darauf verzichten, eine neue Serie in den Philippinen auszustrahlen, bat die Frau in ihrem Brief. Die Produktion heißt Amo (Slang für "Boss") und handelt vom sogenannten "Anti-Drogen-Krieg".

Luzviminda Siapo begründet ihre Petition mit der Geschichte ihres Sohnes. Während die Mutter in Kuwait arbeitete, um die Familie durchzubringen, war ihr Sohn Raymart, 19 und gehbehindert, zu Hause in Manila geblieben. Sie sah ihn nicht mehr lebend wieder. Raymart war eines Tages von der Gemeinde einbestellt worden, weil er angeblich Marihuana verkaufte. Ein paar Stunden später entführten ihn maskierte Männer, sie brachen ihm die Arme. "Ihm wurde gesagt, er solle rennen", schreibt Siapo. "Aber er konnte nicht." Raymart starb mit zwei Kugeln im Kopf.

Regisseur Mendoza hat Vorwürfe zurückgewiesen, er produziere Propaganda für die Regierung

Wer schon mal Angehörige von Opfern dieser nächtlichen Menschenjagden getroffen hat, der weiß, dass sich die Geschichten ähneln, sie sind der blanke Horror, so wie es Luzviminda Siapo erzählt. Werden all diese Leute, die ein Leben in Armut führen, irgendwo in einem stinkenden Elendsviertel von Manila, jetzt ein zweites Mal durch die Hölle gehen, wenn sie Szenen aus Amo sehen? Gut möglich, sagen Kenner der Slums, auch wenn natürlich niemand gezwungen wird, sich vor den Fernseher zu setzen, um das Trauma noch einmal mittels Netflix zu durchleben. Viele in den Elendsvierteln haben auch gar kein Geld für Netflix.

Mutter Siapo scheint vor allem zu bewe-gen, was Amo angeblich gerade nicht herausarbeitet. Sie bezweifelt, dass die Serie tatsächlich die brutale Wirklichkeit widerspiegelt. Menschenrechtler, die gegen die Serie protestieren, klagen unter anderem, dass Amo darauf ziele, "außergerichtliche Tötungen" zu legitimieren.

Brillante Mendoza, international gefeierter Regisseur, der als erster Philippiner 2009 die Goldene Palme in Cannes gewann, hat Vorwürfe zurückgewiesen, er produziere Propaganda für die Regierung. Allerdings sind viele Philippiner davon überzeugt, dass der Filmemacher zu den Unterstützern von Präsident Rodrigo Duterte zählt. Mendoza hat dessen Anti-Drogenkrieg als "notwendig" bezeichnet, außerdem hat er zweimal Regie bei Übertragungen von Dutertes "Rede an die Nation" geführt, in denen er ausführlich seinen Anti-Drogen-Krieg rechtfertigte.

Diese Einsätze haben Tausende Menschen in den Elendsvierteln das Leben gekostet, sie starben bei Polizeirazzien gegen mutmaßliche Kleindealer oder kamen unter offiziell ungeklärten Umständen ums Leben. Viele starben durch maskierte Todeskommandos, die nachts auf Motorrädern heranbrausen, ihre Opfer exekutieren und wieder verschwinden. Die Chancen, solche Morde gerichtlich aufzuarbeiten, sind auf den Philippinen sehr gering.

Mutter Siapo hat im Internet etwas mehr als 10 000 Unterstützer für ihre Petition gesammelt. Das hat Amo nicht aufhalten können. Auf eine Anfrage des Magazins Time reagierte Netflix mit dem Hinweis, dass der Dienst eben Vielfalt für Zuschauer biete und jeder doch die Wahl habe, was er anschauen wolle. Zuschauer hätten unterschiedliche Meinungen, dessen sei man sich bewusst. "Aber wir überlassen es ihnen, sich zu entscheiden", hieß es in der Stellungnahme.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2018
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