Amerikanisches Fernsehen:Warum US-Serienmacher Berlin plötzlich so heiß finden

Homeland - Die letzte Illusion

Homeland in der deutschen Hauptstadt: Carrie (Claire Danes, l.) und Saul (Mandy Patinkin, r.) versuchen, einen Anschlag zu verhindern.

(Foto: Stephan Rabold)

Nach "Homeland" wird eine weitere US-Agentenserie in Berlin produziert. Das hat auch damit zu tun, dass die Macher hier "White Mexicans" finden: Leute, die für wenig Geld viel arbeiten.

Von Charlotte Haunhorst

Die Schüler vor dem Kollhoff-Tower am Potsdamer Platz drücken genervt auf ihren Handys rum. Eigentlich wollten sie jetzt hochfahren, vom 25. Stock aus über Berlin schauen. Aber der Eingang ist versperrt von Kameraleuten, ein Regisseur sitzt unter einem kleinen Zelt und murmelt Anweisungen auf Amerikanisch in ein Funkgerät, die ein anderer Mann laut brüllend wiederholt. Dann kommt der britische Schauspieler Richard Armitage aus dem Tower gespurtet. Er spielt einen CIA-Agenten, der einen Whistleblower enttarnen muss. Scheinbar zufällig trifft er eine Frau, flüstert ihr etwas zu, sie springt in ein Auto. Jemand brüllt "Cut", noch mal von vorn. Die Schulklasse hat eine neue Verwendung ihrer Handys gefunden und macht Fotos.

Die Agentenserie, die hier gedreht wird, heißt Berlin Station und handelt von einer geheimen CIA-Basis im modernen Berlin. Bei den Worten "CIA" und "Berlin" klingelt es natürlich - war das nicht auch die Geschichte der jüngsten, fünften Homeland-Staffel? Warum finden US-Serienmacher Berlin plötzlich so heiß?

Wer von den Gästen lebt, hofft auf weitere Steuervorteile für Filmproduktionen

Drehbuchautor Olen Steinhauer sagt, dass die CIA-Doppelung in Berlin "natürlich Zufall" sei. Und dass ihn der Dauervergleich mit Homeland enttäuscht, aber so sei es nun mal. Tatsächlich hat Steinhauer, der eigentlich Krimiautor ist und auf dem Set standesgemäß mit Schiebermütze rumläuft, das Drehbuch bereits vor zwei Jahren für Berlin geschrieben. Bei Homeland dagegen gab es bereits einen Plot - ob der nun in London, Paris oder eben Berlin spielt, war egal. Die Entscheidung für Berlin war eine finanzielle: "White Mexicans" nennen US-Filmleute die Berliner, die für wenig Geld sehr viel geben, um für Amerikaner zu arbeiten.

Berlin Station entsteht erst einmal nur für den US-Privatsender Epix, über einen deutschen Sendeplatz verhandelt man noch. Trotzdem spielen auch einige deutsche Darsteller mit, Sabin Tambrea etwa und Claudia Michelsen. Dem US-Publikum wird also eine Serie über Spionage in einer Stadt am anderen Ende der Welt vorgesetzt. Olen Steinhauer sagt: "Wenn ich es schaffe, dass die Amerikaner die Serie trotz Untertiteln schauen, habe ich mein Ziel erreicht." Die meisten Amerikaner verbänden Berlin mit Mauer und Kaltem Krieg. Dabei sei es mittlerweile das New York Europas. "Und als Machtzentrum aus meiner Sicht wichtiger als Brüssel."

Die Berlin Station, die der Serie ihren Namen gibt, sieht nicht aus wie eine Kulisse. Zu massiv wirken die Wände, zu echt die Fotos von CIA-Familien auf den Schreibtischen. Vor allem liegt dieser Effekt aber an der Decke: Während andere Kulissen nach oben offen gebaut sind, um mit Scheinwerfern arbeiten zu können, kam hier eine fernsteuerbare Lichtdecke zum Einsatz. Man merkt: Das Studio Babelsberg, das Berlin Station koproduziert, hat viel Arbeit investiert.

"Jetzt gerade fühlt sich die Situation eher bedrohlich an"

"Babelsberg spielt international auf jeden Fall in der A-Liga der Produktionsstätten mit. Crewstärke, Schnelligkeit, Effizienz und Technik - das ist hier alles gegeben. Hinzu kommt, dass alle selbstverständlich Englisch sprechen", erzählt Michael Scheel, während er durch die Studios führt. Der Herstellungsleiter von Berlin Station ist riesengroß, an jeder Tür muss er sich ducken. Er hat auch schon Quentin Tarantinos Inglourious Basterds in Babelsberg betreut. Trotzdem macht er sich Sorgen um die Zukunft des Standorts. "Wir würden noch viel mehr Filme nach Berlin und Babelsberg bekommen, wenn es bei uns neben der Filmförderung weitere Steuererleichterungen für Filmproduktionen gäbe. In anderen Ländern gibt es die sogenannten Tax Incentives, da bekommt man 20 bis 25 Prozent der Steuern für eine Filmproduktion zurück. Da können wir natürlich nicht mithalten."

Allein bei Berlin Station arbeiteten 300 Leute mit

Ähnliches erzählt auch Henning Molfenter, einer der Geschäftsführer von Studio Babelsberg und somit Koproduzent von Berlin Station. "Das Interesse an Berlin kommt in Wellen. Letztes Jahr lief gut, da hatten wir Homeland und davor die Tribute von Panem. Jetzt gerade fühlt sich die Situation eher wieder bedrohlich an, weil andere Länder mehr für die finanzielle Erleichterung von Filmproduktionen tun."

Dann kann er aber auch wieder richtig schwärmen: von der Stadt Berlin und wie man sich dort für internationale Drehs ein Bein ausreißen würde ("Für Bridge of Spies haben sie sogar die Glienicker Brücke in Potsdam gesperrt! Auch im Regierungsviertel darf man drehen. So etwas wäre in Washington D.C. unmöglich!"). Und von der Wirkung dieser Stadt auf gestandene Regisseure ("Die erleben hier so was wie ihren zweiten Frühling").

Mit dem April endet auch der Dreh von Berlin Station in Babelsberg, Molfenter hofft natürlich, dass die Serie gut ankommt und es dann weitergeht. "Berlin bedient als Drehort viel Zukunft. Man kann hier sowohl Spionage und Weltkriegsdramen als auch aktuelle Geschichten erzählen", sagt er. In der Branche sei das mittlerweile international bekannt - jetzt müssten nur noch die Finanzen stimmen. Molfenter hofft da auf Einsicht der Politik - schließlich hängen an Babelsberg auch Arbeitsplätze, allein bei Berlin Station arbeiteten 300 Leute mit.

Am Ende der Studiotour geht es noch ins Herzstück der Geheimdienstzentrale, die "Sensitive Compartmented Information Facility" (SCIF), einen abhörsicheren Raum, den sie hier sehr originalgetreu nachgebaut haben. Die Wände sind kupferfarben, der Konferenztisch ist aus Amerika importiert. Gerade ist Drehpause, also sitzt im SCIF nur Bradford Winters, der Showrunner der Serie. Es war sein erster Dreh in der deutschen Hauptstadt. Vorher kannte er vor allem das "Postkarten-Berlin", wie er es nennt; in Friedrichshain, am Kreuzberger Kotti oder eben am Potsdamer Platz habe er die Stadt erst in ihrer Vielschichtigkeit wahrgenommen. "An jeder Ecke wechselt sie ihre Identität", sagt Winters. Und dass das bei den Spionen in der Berlin Station ja ganz ähnlich sei.

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