Süddeutsche Zeitung

Unreal:Wahlkampf

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Es geht um Quotenkrieg und die Macht der bewegten Bilder: Die Heldin ist Produzentin bei einem Datingformat.

Von Annika Domainko

Zickenkriege, Notrufe und nackte Haut stellt Fernsehproduzentin Quinn dem Publikum in Aussicht und schickt den Junggesellen Adam mit Colgate-Lächeln und britischem Prince-Charming-Akzent in den Reality-Ring, in dem 25 gecastete, nun - Heiratsenthusiastinnen warten.

Nein, die siebte Staffel von Der Bachelor hat noch nicht begonnen. Die amerikanische Serie UnREAL, die nun auch in Deutschland gestreamt werden kann, spielt hinter den Kulissen einer fiktiven Datingshow. Laut New York Times zählt die Serie zu den scharfsinnigsten Ausreißern aus dem Durchschnittsfernsehen und kommt wie eine "herzförmige Pralinenschachtel mit Schokolade und Rasierklingen" daher. Protagonistin Rachel (Shiri Appleby) ist die junge Produzentin des Datingformats, die nach einem Nervenzusammenbruch ans Set zurückkehrt, wo sie mit den Worten "Welcome back to reality" begrüßt wird. Dabei ist Realität ein dehnbarer Begriff: Rachel erweist sich trotz menschelnder Anwandlungen als Virtuosin der Manipulation - vor wie hinter der Kamera.

In UnREAL geht es um den Quotenkrieg und die Macht bewegter Bilder. Was alle längst wissen - dass der Unterhaltungswert von Realityshows hinter der Kamera deutlich geringer ausfällt als vor dem Fernseher - hat Jan Böhmermann in seiner Holzhammer-Aktion "#Verafake" mit Hilfe von bei Schwiegertochter gesucht eingeschleusten Schauspielern zurück ins Bewusstsein gerufen. In UnREAL springt diese Botschaft den Zuschauer als düstere Satire an. Die Figuren sind bei aller Überzeichnung "echt" und erregen Abneigung, Ekel und, im Fall von Protagonistin Rachel überraschend viel Sympathie.

Das macht die Fiktion lohnenswerter als die vermeintliche Realität im Privatfernsehen. Das Drehbuch stammt übrigens von Sarah Gertrude Shapiro, die als Produzentin des Bachelor ausreichend Gelegenheit hatte, sich von der bissigen Muse küssen zu lassen.

UnREAL, abrufbar bei Amazon Prime.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2017
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