"The Wheel of Time" bei Amazon Prime Video:Aufregend wie Bubble Tea

Wheel of Time

Ähnlichkeiten sind rein zufällig: Das ist nicht Liv Taylor in "Der Herr der Ringe", sondern Rosamund Pike in "Das Rad der Zeit".

(Foto: Jan Thijs/Amazon)

Die Fantasy-Serie "The Wheel of Time" ist ein schaler Abklatsch von "Der Herr der Ringe" und "Game of Thrones". Für wie anspruchslos halten die Serienmacher ihr Publikum eigentlich?

Von Nicolas Freund

Stimmt schon, die Zeit ist wie ein Rad. Gerade kommt ja alles wieder: Die Mode der Neunziger, der Bubble Tea und sogar "Kevin - allein zu Haus" bekommt ein Remake. Wie meta ist es jetzt also, wenn Amazon die Fantasy-Buchreihe "The Wheel of Time" (deutsch: "Das Rad der Zeit") verfilmt hat, in der es genau darum geht: dass alles wiederkommt? Ist das gerade der klügste Kommentar auf die Gegenwart, ist es unfreiwillig komisch oder doch nur zynisch?

Die Zeit zurückdrehen wollten wahrscheinlich vor allem die Entscheider der Amazon Studios, am besten bis zu Game of Thrones. Die Fantasy-Serie mit den Drachen und Softporno-Einlagen war ein beispielloser Publikumsmagnet, den jeder der großen Streamingdienste nur zu gerne selbst im Programm gehabt hätte. In den USA lief die Serie bei HBO, in Deutschland bei Sky, seit Jahren versuchen Netflix (The Witcher), Apple TV+ (Foundation) und andere Streamingplattformen, sie zu kopieren. Auch The Wheel of Time beruht, wie Game of Thrones, auf einer Reihe ziegelsteindicker Romane. Der Autor Robert Jordan ist 2007 gestorben und hat die Reihe nicht mehr fertiggestellt. (Das tat dann der Autor Brandon Sanderson, was unter den Fans jedoch nicht ganz unumstritten war.) Aber so etwas wie eine fehlende Handlung ist für viele Serien ja längst kein Hindernis mehr, erst recht, wenn die Produzenten eh zu vermuten scheinen, dass die Zuschauer wegen etwas ganz anderem einschalten. Das stimmt wahrscheinlich auch, nur was das bei Game of Thrones war, lässt sich eben nicht mehr so einfach wiederholen.

Fast alle müssen sich in der ersten Folge ausziehen, die Badewanne ist das wichtigste Requisit

The Wheel of Time erzählt von einer fantastischen Welt (gedreht wurde in Slowenien), in der die Zeit nicht linear, sondern zyklisch verläuft, also alles kommt wieder, alles geht irgendwann unter und entsteht dann neu.

Schuld am Untergang ist aber nicht die Zeit, sondern ein Typ namens "Dragon", der regelmäßig wiedergeboren wird. Weil ein paar voraussehende Menschen, darunter Rosamund Pike als altkluge Zauberin, den nächsten Weltuntergang gerne verhindern würden, versuchen sie herauszufinden, wer dieser "Dragon" dieses Mal ist und durchforsten die Welt nach jungen Menschen im entsprechenden Alter um die 20. Der Kreis der Verdächtigen schrumpft bald auf ein paar Jugendliche aus einem abgelegenen Bergdorf zusammen. Bevor der zweifelhafte Messias identifiziert ist, wird das Dörfchen aber von einer wütenden Horde Krampusse, abgefackelt und die Zauberin findet sich als Betreuerin der völlig charakterlosen Jugendgruppe wieder. Bei Wanderungen durch verwunschene Wälder und Täler muss sie die Kids vor dem durchgeknallten Knecht Ruprecht mit seinen Freunden und ein paar ganz in Weiß gekleideten Psychos beschützen.

Wheel of Time

Kostüme aus der alternativen Altkleidersammlung: Madeleine Madden und Josha Stradowski rätseln, wer von ihnen der "Dragon" ist.

(Foto: Jan Thijs/Amazon)

So gehetzt und bemüht die ersten drei vorab gezeigten Folgen wirken: Vieles an The Wheel of Time ist gut gemeint. Die Idee mit der buddhistisch angehauchten, zyklischen Zeit ist originell, es gibt vernünftige Frauenfiguren und einen diversen Cast, aber das geht ja inzwischen auch gar nicht mehr anders. Ein Fall für die Plagiatssoftware ist, wie peinlich genau sich die Serie bis in einzelne Szenen hinein an den großen Vorbildern Game of Thrones und Der Herr der Ringe entlanghangelt. Musste sich Rosamunde Pike die Haare dunkel färben, um wie einst Liv Taylor als Elbe in Der Herr der Ringe auszusehen? Hoffentlich nicht.

Die Sexszenen sind vergleichsweise brav, aber natürlich müssen sich die meisten Figuren schon in der ersten Folge ausziehen. Badewanne, wichtigstes Requisit. Wer nicht nackt ist, wird verbrannt, amputiert und zerfetzt. Hinter den Gewalt-Voyeurismus von Game of Thrones traut sich kein Serienmacher mehr zurück. Die fantastische Welt, in der das alles stattfindet, besteht aus austauschbaren, romantisch verschnörkelten Wäldern, Bergen und Dörfchen. Was soll schon schiefgehen mit den alten Formeln? Nun ja: so einiges.

Denn das Besondere an Der Herr der Ringe war eben nicht nur die fantastische Welt, und bei Games of Thrones waren es nicht nur Sex und Gewalt. Das Besondere an den Filmen und der Serie war, neben der deutlich komplexeren Geschichte und wie sie erzählt wurde, dass es so etwas vorher noch nie gegeben hatte. Die Bücher galten jahrzehntelang als nicht verfilmbar, und die ursprüngliche Faszination für die Stoffe bestand darin, dass diese fantastischen Welten überhaupt zum Leben erweckt wurden. Der Herr der Ringe und Game of Thrones gingen dabei große Risiken ein. Sie haben etwas gewagt, und das hat man als Zuschauer gespürt. Das Abenteuer fand nicht nur auf der Leinwand statt, der Film selbst war das Abenteuer. Allein dass es sie gab und Filmemacher sich an diese riesigen Projekte gewagt hatten, war etwas Besonderes. Das lässt sich nicht wiederholen, indem man es einfach oberflächlich kopiert.

Sogar Markus Söder faselt "Winter is coming!", wenn er über das Coronavirus spricht

Dieses Nachahmen ist aber längst zur Routine der Streamingdienste geworden, und so fühlt sich The Wheel of Time auch an: Wie ein weiteres Zahnrädchen in der großen Serienproduktionsmaschine, das sich dreht und dreht, ohne etwas Neues hervorbringen zu wollen.

Die "Herr der Ringe"-Bücher waren einmal Gegenkultur, Teil der Hippie-Bewegung und wurden von den Filmemachern des New Hollywood verehrt, die sich bewusst von geldgierigen Studiosystemen und erzkonservativer Politik distanzierten. Der Game of Thrones-Autor Georg R. R. Martin wollte in den Neunzigerjahren mit seinen Romanen die Fantasy auf Augenhöhe mit der Hochkultur bringen, und die Serie hat es tatsächlich bis zur politischen Metapher gebracht. Sogar Markus Söder faselt heute etwas von "Winter is coming!", wenn er über das Coronavirus spricht.

Genau das ist The Wheel of Time aber alles nicht. Und will es auch nicht. Die Serie ist nicht innovativ, sie wagt gar nichts und sie will bloß nicht politisch oder gesellschaftskritisch sein, obwohl das bei ihrem Thema naheliegt. Eigentlich wäre das auch okay. Nicht jede Serie muss das Rad neu erfinden oder eine Debatte anstoßen. Nur ist die Ansage bei The Wheel of Time eben eine andere. Vom Amazon-Marketing forciert wird sie als die am heißesten erwartete Serie des Jahres. Diese Überheblichkeit bei gleichzeitig völliger Mut- und Belanglosigkeit verrät vor allem, wie die Studios inzwischen ihre Kunden sehen: oberflächlich, anspruchslos und zufrieden, wenn man ihnen ein paar Ritter, Monsterchen und genügend Nackte vorsetzt. Man sollte sie darin nicht bestätigen.

The Wheel of Time, 8 Folgen, bei Amazon Prime Video

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