ZDF-Fernsehfilm:Die sind nicht lieb

Altes Land

Eine Familiensaga mit großartigen Bildern: Iris Berben spielt Vera, die als Flüchtlingskind auf den Hof im Alten Land kam und blieb.

(Foto: Mathias Bothor/ZDF)

Mit der Adaption von Dörte Hansens Roman "Altes Land" ist dem ZDF ein sehr guter Film gelungen - nicht ganz frei von Kitsch, aber mit überzeugenden Frauenfiguren.

Von Katharina Riehl

Kennen Sie den alten Witz, den Alfred Hitchcock gerne erzählt haben soll? Den mit den beiden Ziegen, die die Rollen eines Films auffressen, der nach einem Bestseller gedreht worden ist? Die eine Ziege jedenfalls sagt zur anderen: "Mir war das Buch lieber."

Das ZDF hat Dörte Hansens Bestseller "Altes Land" verfilmt, den Überraschungshit aus dem Jahr 2015, und wenn man sich durch das Pressematerial des Senders arbeitet, dann ist man ziemlich sicher: Benjamin Benedict, der Produzent, Sherry Hormann, die Regisseurin, und auch Dörte Hansen selbst kennen den alten Witz. Und sie kennen alle Vorbehalte, die Literaturverfilmungen im Allgemeinen so entgegengebracht werden.

"Sicher - ein Roman ist kein Film, und ein Film kann nur einen Aspekt des Romans aufgreifen", schreibt Sherry Hormann in ihrem Pressestatement, Benjamin Benedict spricht von einer "einzigartigen filmischen Erzählung" und Dörte Hansen erklärt, eine Romanverfilmung sei "eine Übung im Loslassen". Und weiter: "Das Buch geht auf die Reise, die Autorin winkt ihm nach und weiß, dass diese Reise es verändern wird." Es ist fast ein bisschen putzig, wie sehr offenbar alle von dieser einen Sorge getragen sind: dass jemand beleidigt sein könnte, weil im Buch doch alles ganz anders war.

Zugereiste fertigen Öko-Gelee, die Eingesessenen kämpfen mit der Vergangenheit

"Altes Land", das Romandebüt der ehemaligen Journalistin Dörte Hansen, erzählte eine komplexe Familiengeschichte über mehrere Jahrzehnte und auf mehreren Zeitebenen. Im Mittelpunkt steht die Figur Vera, die als fünfjähriges Mädchen mit ihrer Mutter als Flüchtling aus Ostpreußen auf einen Hof ins Alte Land südlich der Elbe kommt und bis ins hohe Alter dort bleibt. In der Gegenwart nimmt Vera selbst eine Flüchtlingsfamilie auf, nicht aus Syrien, sondern aus Hamburg-Ottensen, ihre Nichte Anne samt kleinem Sohn, deren Beziehung zum Kindsvater gerade in die Brüche ging. Erzählt wird aber auch Veras Kindheit und Jugend auf dem Hof, das Leben ihrer Halbschwester (Annes Mutter) und dazu noch eine Handvoll Dorfgeschichten von zugereisten Landfreunden aus Hamburg, die in Manufakturen Öko-Gelee aus alten Apfelsorten kochen - und Obstbauern, die mit traditioneller Landwirtschaft um ihre Existenz kämpfen. Es ist sehr viel Stoff, und ganz bestimmt ist es zu viel Stoff für zweimal anderthalb Stunden Fernsehfilm.

Sherry Hormann, die nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch adaptierte, hat also ausgewählt. Sie hat Schwerpunkte gesetzt und Dinge weggelassen, sie hat die Handlung auseinandergebaut und neu zusammengesetzt, chronologischer, weniger verschachtelt. Und während Matti Geschonneck die Konflikte zwischen Städtern und Landbewohnern in seiner ZDF-Verfilmung von Juli Zehs Großroman "Unterleuten" zu Beginn des Fernsehjahres in flirrenden Sommerbildern vor allem ästhetisch in Szene setzte, werden sie hier, anders als im Buch, zum Nebengeräusch. Sherry Hormann erzählt "Altes Land" nicht als großes Gesellschaftsporträt, sondern als hoch emotionale Familiensaga. Und ihr ist ein sehr guter Film gelungen.

Ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich der deutsche Fernsehfilm eben doch weiterentwickelt hat

Altes Land lebt zum großen Teil von seinem außergewöhnlich tollen Ensemble. Iris Berben in der Doppelrolle der Vera - einmal als alte Frau, einmal noch gut zu Fuß zwanzig Jahre früher - wirkt in beiden Phasen so gleichermaßen überzeugend, dass es verblüffend ist. Ihr Stiefvater Karl, die Konstante, große Liebe und Bürde ihres Lebens, wird nicht weniger großartig von Milan Peschel gespielt, Nina Kunzendorf ist Veras Schwester Marlene, Karoline Eichhorn ihre verbitterte Schwiegermutter. Sherry Hormann findet im Alten Land für die Erzählung wunderschöne Bilder, und mit dieser Mischung (und besonders im ersten Teil ein bisschen sehr viel dramatischer Musik) schafft sie es zu berühren. Nicht ganz frei von Kitsch, aber das haben Film und Buch ja dann wieder gemeinsam.

Altes Land ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich der deutsche Fernsehfilm, trotz aller berechtigter Klagen, in den vergangenen Jahren eben doch weiterentwickelt hat. Als Maria Furtwängler im Jahr 2007 im Zweiteiler "Die Flucht" als Magdalena Gräfin von Mahlenberg von Ostpreußen in den Westen floh, schlug sich eine menschlich einwandfreie Heldin hoch zu Pferd durch die Wirren des Kriegsendes. Vera, das Flüchtlingskind, und ihre Mutter sind sperrige Figuren, man bekommt sie kaum zu fassen. Und ob man sie mögen soll? Schwer zu sagen. "Altes Land" ist modernes Fernsehen mit Frauenfiguren, die der Zuschauer nicht uneingeschränkt lieb haben kann. Und fast so schön wie das Buch.

Altes Land, ZDF, Sonntag und Montag, 20.15 Uhr.

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