Süddeutsche Zeitung

Alternative Filmplattformen:Jenseits des Mainstreams

Sie heißen Alleskino, Realeyz - oder Mubi: Alternative Filmplattformen zeigen Arthouse-Filme oder Klassiker, die bei großen Mainstream-Anbietern wie Netflix oder Amazon Prime nicht zu finden sind. Noch operieren sie häufig unterhalb der Gewinnschwelle - doch die Zeit läuft für sie.

Von Franziska von Malsen

Im Morgengrauen liegt der "Shrink", ein neurotischer Psychiater, auf irgendeiner Hollywood-Terrasse, komplett zerknautscht. So kann Kevin Spacey also aussehen, zum Beispiel im Film Shrink von 2009, ganz anders als man ihn aus dem Superhit House of Cards derzeit kennt.

Und noch etwas unterscheidet den Psychiater vom dauerpräsenten House-of-Cards-Spacey. Während letzterer auf dem Portal Netflix zu sehen ist, findet man die kaputte Spacey-Version auf dem Filmportal Mubi. Eine alternative Filmplattform, die im Vergleich zu Netflix ungefähr so wenig angepasst ist wie Spacey in Shrink verglichen mit Spacey in House of Cards.

Das ist kein Zufall. Denn während Netflix seinen Einstieg in den deutschen Markt vorbereitet und damit die Anbieter in Deutschland wie Watchever, Amazon Prime, Snap von Sky oder Maxdome nervös macht, bauen kleine Nischenangebote wie Mubi, erreichbar unter mubi.com, neue Geschäftsideen jenseits des Konzepts möglichst vieler Mainstreamfilme für möglichst wenig Geld. Sie heißen Alleskino, Realeyz -oder eben Mubi.

Die Plattform mit Büros in London, München, Istanbul und Palo Alto hat nur dreißig Filme im Sortiment. Täglich wird ein alter durch einen neuen ersetzt. Internationale und deutsche Independent- und Autorenfilme sind das, auch mal Klassiker der Filmgeschichte.

Hübsch angeboten in übersichtlichem Webdesign für knapp fünf Euro pro Monat; das Ganze funktioniert auch auf dem Smartphone oder Tablet. Zu jedem Film gibt es eine knappe Erklärung, warum man gerade dieses Video gerade heute angeboten bekommt.

Oft Enthusiasten

Die deutsche Plattform Alleskino bietet dagegen unter alleskino.de ausschließlich deutsche Kinofilme an, dafür aber die ganze Bandbreite, von Wickie bis Berliner Schule, um die 500 Titel. Anders als bei Mubi gibt es hier kein Abo, man zahlt pro Film, meistens zwischen drei und fünf Euro.

Und Realeyz, eine Initiative von ehemaligen Kinobetreibern aus Berlin, ist eine Mischung aus beidem: die Filmauswahl unter realeyz.tv ist ähnlich wie bei Mubi, die Bezahlung erfolgt - etwas unübersichtlich - bei manchen Titeln einzeln, andere sind in einem Abopaket enthalten.

Die Betreiber sind oft Enthusiasten, die für Filmliebhaber arbeiten. Viel Geld verdient kaum einer bislang, die Betreiber von Alleskino hoffen, in drei Jahren Gewinn zu schreiben; allerdings setzt der Plan Unterstützung durch die Filmförderung voraus, und nach der aktuellen Gesetzeslage sieht es nicht so aus, als komme die jemals zustande.

Potenzial für enormes Wachstum

Auch Mubi schreibt mit seinen 30.000 weltweiten Abonnenten - rund ein Zehntel davon lebt in Deutschland - noch rote Zahlen. Dennoch: Der Branchenverband Bitcom prognostiziert, dass von den 52 Millionen Bildschirmen, die in diesem Jahr verkauft werden, nur noch knapp acht Millionen Fernseher sind, dafür aber über neun Millionen Tablets.

Die potenziellen Zuschauerzahlen wachsen also enorm. Und irgendwann werden genügend Filmliebhaber im Netz nach Filmen suchen, die sie auf Netflix oder Watchever kaum finden werden. Spätestens dann schlägt die Stunde der Alternativen.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2014
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