Süddeutsche Zeitung

BR-Serie "Alles finster":Warmes Bier im Blackout

In der seltsamen Satire "Alles finster" muss ein fiktives Dorf durch eine Energiekrise. Das klappt nur bedingt.

Von Carolin Gasteiger

Ausgerechnet vorm Elfmeter wird es zappenduster. Als auf dem Fußballfeld im fiktiven Kekenberg genau in diesem Moment das Flutlicht ausfällt, vermutet die gegnerische Mannschaft aus der verfeindeten Nachbargemeinde natürlich Kalkül. Aber es ist ernst. Bald gibt es im ganzen Dorf kein Licht mehr, kein Benzin, die Telefonverbindung fällt aus, und irgendwann ist nicht mal mehr genügend Wasser für die Toilettenspülung da. Kekenberg in Österreich ist wie ganz Europa von einem Blackout betroffen.

Alles finster - so heißt die deutsch-österreichische Miniserie, die von Dienstagabend an im Bayerischen Fernsehen läuft (und schon jetzt in der Mediathek) und die satirisch ein Krisenszenario aufgreift, das in Zeiten zu hoher Energiepreise und mangelnder Gasversorgung gar nicht abwegig erscheint.

Als sie das Drehbuch für die sechs Folgen geschrieben hat, hatte Selina Gina Kolland Marc Elsbergs Bestseller "Blackout" im Kopf. Es ist nicht die erste Adaption des Thrillers. Im vergangenen Jahr lief die Joyn-Serie Blackout mit Moritz Bleibtreu an, die das Szenario eines Stromausfalls mitsamt ernsten Folgen und Bedrohungen durchdekliniert hat. Alles finster stellt dieselben Fragen - Wo kriegt man Essen her? Wer behält die Nerven, wer verliert sie? Was ist mit den Krankenhäusern? -, aber verzerrt sie ins Komische.

Zu absurd für "Dahoam is Dahoam", nicht zynisch genug für "Braunschlag"

Nun muss man dazu sagen, dass das Spektrum an schrulligen Dorfbewohnern in Kekenberg auch ohne Blackout beste Situationskomik böte. Ein völlig überforderter Bürgermeister (der nicht gewählt wurde, sondern im Suff per Strichzettel ernannt), eine ehemalige Profifußballerin mit Angststörung und einem Regenschirm mit Namen, ein Prepper-Ehepaar aus Deutschland, das im gut gefüllten Bunker tanzt, und ein treudoofer Aluhut-Träger, der auf die Invasion der Echsenmenschen wartet und dabei ORF-Moderatoren im Leitz-Ordner sammelt - um nur die wildesten zu nennen. Und genau das ist die Krux.

Die Serie (Regie: Michael Riebl) verheddert sich in Einzelsketchen und nimmt so viele Handlungsstränge auf, dass sie den Blackout ganz aus den Augen verliert. Von einem nationalen Notstand, einer katastrophalen Versorgungslage kriegen die Zuschauer von Alles ist finster kaum etwas mit. Verschwörungstheorien? Medikamentenmangel? Hungersnot? Wird in Kekenberg ausgeblendet, okay, es gibt nur Kerzenlicht, aber bald finden hier Familien zueinander, Liebschaften werden gewagt, Nachbarn versöhnen sich. Ging es in dieser Daily Soap nicht eben noch um einen Blackout? Alles finster ist zu absurd für Dahoam is Dahoam und nicht zynisch genug für Braunschlag. Das ist vor allem deswegen schade, weil die Serie gut besetzt ist, vor allem die weiblichen Parts mit Hilde Dalik als verbitterter Wirtin, Miriam Fussenegger als neurotischer Ex-Profisportlerin und Martina Ebm als offenbar Einziger im ganzen Dorf mit Hirn.

Vielleicht muss man den Machern von Alles finster auch einfach Respekt zollen, wenn sie zu einem Zeitpunkt, an dem viele in Europa das Frieren im Herbst und Winter fürchten, warmes Bier als das wirklich Schlimmste herauszustellen, was in einem Blackout passieren kann. Die Satire funktioniert zwar nicht, aber wie sagt der Bürgermeister in lässigstem Österreichisch? "Zu Tode gfürcht is a gstorm."

Alles finster, in der BR-Mediathek.

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