Alina Levshin im "Tatort":Als Praktikantin überqualifiziert

Tatort Erfurt Kalter Engel Alina Levshin Johanna Grewel

Überqualifiziert für den Tatort? Eindeutig. Alina Levshin in "Kalter Engel".

(Foto: MDR/Marcus Goldhahn)

Der "Tatort" tendiert zur Verjüngung. Alina Levshin spielt im neuen Erfurter Ermittlerteam zwar die Praktikantin, ist darin aber die mit Abstand interessanteste Figur. Könnte gut sein, dass sie nicht lange Praktikantin bleibt.

Von Carolin Gasteiger

Praktika dauern im Normalfall nicht lange. Zwei Monate, längstens sechs Monate sind üblich - also ein überschaubarer Zeitraum für Johanna Grewel, die am Sonntagabend ihren Dienst im neuen Erfurter Tatort antrat.

Alina Levshin spielt diese Praktikantin und mit noch nicht mal 30 Jahren ist die Schauspielerin die jüngste Ermittlerin im zugleich jüngsten Team der Geschichte der ARD-Krimireihe. Allzu lange wird sie wohl nicht bleiben. Nicht nur, weil sie eine Praktikantin spielt.

Vielversprechend vielseitig

Schon mit sieben Jahren tanzt Levshin, die 1984 in Odessa geboren wurde und mit sechs Jahren mit ihrer Familie nach Berlin gekommen ist, im Kinderensemble des Friedrichstadt-Palastes. Sie studiert an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen und kriegt die ersten Fernsehengagements noch vor ihrem Abschluss. Mit zwei Rollen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, überzeugt sie die Kritiker: Da wäre zum einen die Jelena aus Dominik Grafs "Im Angesicht des Verbrechens", ein ukrainisches Mädchen, das in Berlin das große Glück sucht, sich aber schnell als Prostituierte bei der russischen Mafia wiederfindet. An der Seite von Max Riemelt macht vor allem Levshin die Serie zu einer der besten deutschen Produktionen der vergangenen Jahre. "In ihrem Gesicht kann sich die kleinste Emotion spiegeln", sagt Regisseur Graf über sie. 2010 erhält sie für ihre Jelena den Deutschen Fernsehpreis.

Zwei Jahre später ist sie Marisa, eine urdeutsche Nazibraut. An der Rolle in David Wendts "Kriegerin" gefällt ihr "in erster Linie das Hässliche", sie will von ihrer Paraderolle als ukrainisches Mädchen loskommen. Mit Erfolg: 2012 wird sie beim Deutschen Filmpreis mit einer Lola für die beste weibliche Hauptrolle ausgezeichnet. Und gehört da schon zu den vielversprechendsten Nachwuchsschauspielerinnen der Republik. Ausrutscher wie in einem Science-Fiction-Fiasko mit Barbara Meier wurden ihr verziehen.

Nun spielt sie im Tatort und ist in ihrem ersten Fall der interessante Part des neuen Erfurter Teams. Laut Spiegel Online wird sie hier "als Stichwortgeberin verheizt, während die beiden Jungs an ihrer Seite im Energydrink-Vollrausch Comicversionen knallharter Cops geben". Nicht umsonst erinnert SZ-Autor Holger Gertz in seiner Kolumne an die Rosenheimcops. Levshin alias Johanna Grewel weiß zwar alles besser ("Ich steh' nicht so auf Stoffwechselbeschleuniger"), setzt aber einen guten, weil seriösen Kontrapunkt zu dem hoffnungslos platt gezeichneten Macho-Kommissar Funck und dem ebenfalls eher blassen Schaffert. Ihre Figur hat Potenzial - es wäre schön, wenn sie dem Tatort erhalten bliebe.

Das würde auch den Machern in die Hände spielen: Der Tatort soll sich weiter verjüngen, mit Assistenten (Fabian Hinrichs als Gisbert in München, leider nur in einem Fall) und engagierten Kolleginnen (Sibel Kekilli im Kieler Team). Aber früher legte der Tatort die Darsteller auf Jahre, oft gar Jahrzehnte fest: Götz George als Horst Schimanski, Ulrike Folkerts als Lena Odenthal, Oliver Mommsen als Bremer Beau Stedefreund. Inzwischen dient die ARD-Krimireihe mit ihren 22 Ermittler-Teams fast als Durchgangsstation. Unwahrscheinlich, dass Wotan Wilke Möhring oder Til Schweiger bis an ihr Lebensende im Ersten ermitteln. Die Newcomer Tschirner und Ulmen werden an Weihnachten überhaupt nur einen Fall lösen. Und der RBB schickt das Berliner Team zugunsten der Verjüngung in vorzeitigen Ruhestand.

Vor Kurzem erst verabschiedete sich Anna Maria Sturm überraschend schnell von ihrer Rolle im Polizeiruf 110, um sich "neuen Projekten zu widmen".

Ähnlich könnte es Alina Levshin machen. Zwar gilt sie als Perfektionistin, die keine halben Sachen macht und Veränderungen nicht so gern mag. Also bald Kommissarin? In ihrer Rolle als Juristin mit zweitem Staatsexamen in der Tasche wäre der Sprung dahin nicht weit. Auf jeden Fall ist Alina Levshin zu Höherem berufen, nicht nur im Tatort. In einem Interview sagte sie über ihr ARD-Engagement: "Vieles ist noch in Entwicklung, so viel ich weiß." Mit einem Praktikum kann es eben auch schnell vorbei sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: