AfD und Sarrazin bei Maischberger:Sarrazin und Storch beim Debatten-Medley

Maischberger

Der ehemalige SPD-Politiker und Autor Thilo Sarrazin und die AfD-Politikerin Beatrix von Storch zu Gast in der ARD-Talkshow "Maischberger".

(Foto: dpa)

Das Immer-noch-SPD-Mitglied darf im Beisein der AfD-Politikerin seine Thesen vorrechnen. Doch die braucht weder ihn - noch das Wohlwollen der Talkrunde.

TV-Kritik von Hannah Beitzer

Er ist wieder da. Doch die Aufregung ist einfach nicht mehr die gleiche. Was haben sich früher alle gefürchtet, dass aus den Thesen des ehemaligen Berliner Finanzsenators und SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin eine rechte Partei mit bürgerlichem Anstrich erstehen könnte! Seitdem sind ein paar Jahre vergangen und die AfD sitzt in sechs (nach den konstituierenden Sitzungen in Mainz und Stuttgart demnächst in acht) deutschen Länderparlamenten. Der Aufstieg der Rechtspopulisten scheint die Angst von damals zu bestätigen.

Inzwischen ist aber auch klar: Die AfD braucht gar keinen bürgerlichen Anstrich. Sie ist erfolgreich, obwohl sie sich um Menschlichkeit und Anstand längst nicht mehr schert, von Schießbefehlen schwadroniert und unverhohlen Anschluss zur rechten Szene sucht. Die Erkenntnis des Jahres 2015 war: Fremdenhass funktioniert einfach so, aus sich heraus, ohne vermeintlich wissenschaftliche Faktenbasis.

Insofern wirkt die Talkrunde von Sandra Maischberger, in der Thilo Sarrazin im Beisein der AfD-Politikerin Beatrix von Storch seine alten Thesen von ungebildeten, integrationsunwilligen, aber fortpflanzungsfreudigen Muslimen noch einmal vorrechnet, wie ein unerfreuliches Debatten-Medley: 2010 trifft 2016.

Bei Sarrazin weckt die AfD "ungute Assoziationen"

Wobei von Anfang an natürlich die Frage im Raum steht: Was hat 2016 mit 2010 zu tun? Mit der Frage tut sich das Immer-noch-SPD-Mitglied Thilo Sarrazin schwer. "Ich bin natürlich traurig, dass es nicht meine eigene Partei ist, die mir gefolgt ist", sagt er. Aber die AfD? Nein, lieber nicht. "Wenn ich Herrn Höcke vor wallenden Fahnen nächtliche Reden schwingen höre, dann weckt das bei mir ungute Assoziationen", sagt Sarrazin. Man müsse sich schließlich "von unbeherrschten Emotionen aus der rechten Ecke abgrenzen".

Genau die sind aber das Geschäft der AfD, die am Wochenende auf ihrem Parteitag wohl den Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" in ihr Parteiprogramm aufnehmen wird. Während Sarrazin seinen Thesen bei Maischberger relativierende Sätze hinterher schiebt, betont, dass er nicht die Ursachen für all die von ihm vorgebrachten statistischen Zusammenhänge kenne ("Ich bin ja auch in vielem gespalten und unsicher"), ist für die AfD die Zeit der Ursachensuche längst vorbei.

Storch provozierte zum Beispiel vor Kurzem mit der Aussage, der Islam sei "an sich eine politische Ideologie" und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Ähnlich äußerte sich ihr Parteifreund Alexander Gauland. Der Islam sei in Deutschland "ein Fremdkörper".

Politikwissenschaftler gegen Rechtspopulistin

Eine ganze Religion und ihre vielen Anhänger pauschal für nicht verfassungskonform erklären? Das wirft natürlich Fragen auf. Wie verträgt sich das denn mit der Religionsfreiheit, die ja im von der AfD so hoch gehaltenen Grundgesetz festgeschrieben ist? Bei Maischberger will Beatrix von Storch ihren Islam-Satz anders gemeint haben. "Wir differenzieren zwischen politischem Islam und dem gelebten Islam", sagt sie in der Talkrunde.

"Warum sagen Sie dann nicht einfach Islamismus?", fragt sie der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke, der prophezeit, dass am Ende doch der pauschale Satz im Parteiprogramm landen wird. "Wir werden ja erleben, ob sich Beatrix von Storch am Wochenende hinstellt und sagt: Wir machen jetzt diese Differenzierung", höhnt er.

Storch wird erbarmungslos zerlegt und reagiert mit Fluchtreflexen

Der Politikwissenschaftler feuert Vorwürfe in Richtung der AfD-Politikerin in einer derartigen Maschinengewehr-Geschwindigkeit, dass sich die Autorin an ihrer statt regelrecht an die Sofalehne getackert fühlt. Selten ist ein Vertreter der AfD in einer Talkrunde so erbarmungslos zerlegt worden.

Beatrix von Storch reagiert mit Fluchtreflexen. "Der gute Beitrag, den wir geleistet haben, ist, dass es jetzt eine Debatte gibt", sagt sie. Das quittiert wiederum Sandra Maischberger mit Augenrollen: "Wir führen diese Debatte doch seit dem 11. September." Da bleibt Storch nur noch der Verweis auf den kleinen Mann. "Die Politiker leben in einem Paralleluniversum. Sie haben keinen Bezug mehr zu den Sorgen und Nöten der Menschen", sagt Storch. Damit ist der Phrasenbaukasten dann aber auch endgültig geleert.

Allein: Grund zur Freude für die Gegner der AfD ist das nicht. Denn egal, wie widersprüchlich oder ungeschickt sich die Rechtspopulisten in Talkrunden präsentieren, ihre Anhänger stört das nicht. Im Gegenteil. Ein Angriff wie der auf Beatrix von Storch ist für sie ein weiterer Beleg für "Eliten-Arroganz" und Maulkörbe, die angeblich jenen angelegt werden, die endlich mal sagen, was man ja wohl noch sagen dürfen muss. Oder so. Nachzulesen übrigens eindrucksvoll im Twitter-Stream zur Sendung.

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