AfD-Sprecher Bernd Lucke bei "Studio Friedman":Der Dünnhäutige und der Nachfrager

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Da war er noch da: Bernd Lucke (r.) mit Manuel Sarrazin (M.) und Michel Friedman. (Foto: © N24)

AfD-Sprecher Bernd Lucke flüchtet nach elf Minuten aus der N24-Talkshow "Studio Friedman". Die AfD stellt sich in einer Pressemitteilung als Opfer der Medien dar - und tatsächlich hat sich Moderator Michel Friedman einen Fehler geleistet.

Von Matthias Kohlmaier

Wer keine Lust auf Nachfragen hat, sollte in keine Talkshow gehen. Schon gar nicht in den Polittalk von Michel Friedman, bekannt für sein insistierendes Nachfragestakkato, wenn ihm eine Antwort nicht eindeutig genug ist. Aber was soll Bernd Lucke, der Talkshow-Hopper der Alternative für Deutschland, tun? Bald ist schließlich Europawahl und irgendwie muss er seine Botschaft an den Wähler bringen.

Deshalb hat er diesen Monat bei Frank Plasberg die EU kritisiert, im ZDF bei Peter Hahne vorbeigeschaut und sich bei Sandra Maischberger zum Thema "Hartz IV für alle: Sind wir das Sozialamt Europas?" ausgelassen. Und dazwischen stand am 20. Februar ein Besuch bei der Aufzeichung von Michel Friedmans Talkshow an, die nun am gestrigen Abend ausgestrahlt wurde. Ein sehr kurzer Besuch.

Um all das besser zu verstehen, hier der vollständige Wortlaut von Friedmans Anmoderation:

Herzlich willkommen im Studio Friedman.

Freizügigkeit in Europa: Billige Arbeitskräfte kommen aus Rumänien und Bulgarien. Die Euro-Krise steckt fest. Die Bürokratie aus Brüssel wird immer schlimmer. Und die einzigen, die dafür bezahlen, sind die Deutschen. Stimmt das?

Darüber diskutiere ich mit Bernd Lucke, dem Sprecher der Alternative für Deutschland und Manuel Sarrazin, europapolitischer Sprecher von B90/Die Grünen im Bundestag.

Die Frage, um die es geht:

Die AfD sieht sich immer als Opfer und sagt: Wir tun das, was andere Parteien nicht mehr tun. Wir sprechen doch nur die Ängste der Bevölkerung aus. Ihre Europawahl-Kandidatin Beatrix von Storch sagt: "Multikulti hat die Aufgabe, die Völker zu homogenisieren und damit religiös und kulturell auszulöschen." Wenn das nicht Rassismus ist, was ist dann Rassismus?

Eine rhetorische Frage, aber an Lucke gerichtet stellt Friedman im Anschluss eine weitere, die sich einfach beantworten ließe: "Stehen Sie zu dieser Aussage?" Lucke antwortet nur, dass er sich dagegen verwahre, seiner Parteifreundin Rassismus zu unterstellen. Friedman bohrt nach: "Stehen Sie zu dieser Aussage?" Lucke windet sich, verweigert ein Ja oder Nein. Friedman bohrt weiter. Zwischen den beiden Männern entsteht ein kurzes Wortgemenge - und 20 Sekunden später hat Lucke das Studio bereits verlassen. Aus dem Off hört man ihn noch kurz zetern, Sarrazin und Friedman bringen die Sendung überraschend unbeeindruckt zu zweit zu Ende.

Für die AfD eine wahlkampftaktisch wunderbare Situation, bietet sich doch damit die Gelegenheit, die Rolle des Opfers der ignoranten Medien zu besetzen. Und tatsächlich ließ die Pressemitteilung nach Luckes Abgang nicht lange auf sich warten. "Eklat bei N24: Lucke lässt Friedman stehen", hieß es wenig später auf der Webseite der AfD. Friedman habe auf wertende Fragen beharrt und Lucke nicht adäquat zu Wort kommen lassen. "Seriöse Moderation sieht anders aus", lässt sich der AfD-Sprecher selbst zitieren.

Bei N24 sieht man das naturgemäß anders. "Wer die Talkshow einmal gesehen hat, der weiß, dass Michel so lange nachfragt, bis er eine Antwort bekommt", sagte Sprecherin Kristina Faßler. Auf Ahnunglosigkeit bezüglich Friedmans Fragetechnik kann sich Lucke nicht herausreden, war er doch am 20. Juni 2013 schon mal bei Studio Friedman zu Gast. Und danach war keine "Eklat"-Pressemeldung notwendig. Für eine gewisse Dünnhäutigkeit Luckes spricht auch, dass Friedman seinen N24-Talk zuvor 351 Mal mit etwa 700 Gästen moderiert hat - ohne dass ein Gast vorzeitig Reißaus genommen hätte.

Und da hatte er genug: Bernd Lucke verlässt das Studio Friedmann nach elf Minuten. (Foto: © N24)

Aber Dünnhäutigkeit hin oder her, auch aus Sicht von N24 und Michel Friedman ist in dieser Show nicht alles glatt gelaufen. Denn das Zitat, das Friedmann AfD-Kandidatin Beatrix von Storch zuschrieb, stammt gar nicht von ihr. Erstmals erschienen ist es in einem Aufsatz von Roland Woldag in dem rechtslastigen Magazin Eigentümlich frei. Später wurde der Aufsatz auch in dem Online-Magazin Freie Welt, das von Storch betreibt, publiziert. Die AfD-Frau selbst hat sich via Facebook gegen die falsche Zitation verwahrt.

Im Endeffekt haben also weder Talker Friedman (und seine Redaktion) noch Politiker Lucke ihren Job besonders gut erledigt.

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