Ärger um "Spiegel"-Portal:"Bento" und die Hydra der Hipness

  • Die beiden Chefs von Bento ließen einen Twitteraccount sperren, der sich über das Portal amüsierte.
  • Aber die Sperrung provozierte neue Witzbolde auf Twitter - einer soll Jan Böhmermann sein.

Von Johannes Boie

Jugendliche neigen zu Kurzschlussreaktionen, und als Berufsjugendlicher gibt man sich Mühe mitzuhalten. Alles richtig gemacht haben demnach Frauke Lüpke-Narberhaus und Ole Reißmann, die Bento leiten, das gerade gestartete Jugendportal von Spiegel Online. Die beiden ließen den Twitteraccount @bento_is_hip sperren, der sich recht präzise über den Stil ihres Portals amüsiert hatte, indem er ihn leicht übertrieben nachzeichnete: "Total unterschätzt: Wie veganer Milchkaffee unsere Gesellschaft verändert." Vorbild für die Satire war der Account @vice_is_hip, der sich denselben Witz schon seit zwei Jahren mit dem Medienportal Vice erlaubt.

Nach der Sperrung schrieben die beiden, sie hätten den Account "in einer Kurzschlussreaktion bei Twitter gemeldet". Ole Reißmann hatte geschäumt, jener Tweet von @bento_is_hip, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sei "rassistischer Scheiß". Der Tweet lautete: "Flüchtlingsheime anzünden: Wir haben den neuen Ekel-Trend probiert." Das ist ein Witz über Bento, aber ist es auch einer über Flüchtlinge? Jedenfalls ist jede Titanic-Ausgabe schlimmer - allerdings auch witziger.

Bei Twitter kam man brav dem Wunsch aus dem Spiegel-Verlag nach und drückte die "Löschen"-Taste. Das wiederum verärgerte jene Internetnutzer, für die Bento eigentlich da sein möchte: Der Hydra wuchsen blitzschnell neue Köpfe.

Steckt Jan Böhmermann dahinter?

Unter @sei_bento meldete sich einer zu Wort, der so tut, als sei er bei dem Jugendportal gut beschäftigt, beziehungsweise so "mit Experten busy", dass er sich unmöglich mit den ebenfalls neuen Witzbolden von @bento_ist_cool "in der Mindmappingecke im Newsroom treffen" könne. Hinter letzterem Account könnte ZDF-Comedian Jan Böhmermann stecken, der schon mit einem lustigen Verwirrspiel um den angeblichen Stinkefinger von Yanis Varoufakis bewiesen hat, dass er die Mechaniken der Digitalkultur lässig auseinandernehmen kann.

Jetzt lernen die Hamburger den sogenannten Streisand-Effekt kennen: Wird im Netz etwas gelöscht, verbreitet es sich erst recht tausendfach. Wenn man da nicht mal gleich einen Bento-Artikel draus machen kann: Was du im Internet auf keinen Fall tun solltest.

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