Süddeutsche Zeitung

Ägyptische Nachrichtenseite:Festgehalten, durchsucht, schikaniert

  • Am Sonntag haben ägyptische Sicherheitsbeamte einen Einsatz in der Redaktion der Nachrichtenseite Mada Masr durchgeführt - inklusive Festnahmen.
  • Das ägyptische Regime versucht, auch die letzten kritischen Journalistinnen und Journalisten des Landes einzuschüchtern.

Von Paul-Anton Krüger

Die staatlichen Medien und auch die wichtigsten privaten Zeitungen und Fernsehsender hat das ägyptische Regime von Präsident Abdelfattah al-Sisi längst unter Kontrolle. Nun sollen offenbar auch die letzten unabhängigen Journalistinnen und Journalisten des Landes eingeschüchtert werden. Beamte des Sicherheitsapparates erschienen am Sonntag in der Redaktion der Nachrichtenseite Mada Masr, die sich mit investigativen Berichten und Kritik an der Regierung einen Namen gemacht hat.

Die Vertreter der Staatsmacht in Zivil identifizierten sich laut Angaben von Redaktion und Beobachtern nicht, und legten keinen Durchsuchungsbefehl vor. Sie hielten die Journalisten demnach über Stunden in ihren Büros fest und untersuchten Laptops und Handys. Anschließend nahmen sie Chefredakteurin Lina Attalah, Redakteur Mohamed Hamama und Reporterin Rana Mamdouh mit.

Bereits am Samstagmorgen war ein weiterer Redakteur von Mada Masr, Shady Zalat, in seiner Wohnung festgenommen worden, ohne dass die Beamten einen Haftbefehl präsentierten. Zalat und die anderen Mitarbeiter der Webseite wurden nach weiteren Verhören Sonntagabend alle wieder freigelassen. Unklar ist, ob nun Anklagen gegen sie vorbereitet werden und was genau ihnen vorgeworfen wird. Es liegt allerdings nahe, einen Zusammenhang mit einem am vergangenen Mittwoch veröffentlichen Artikel zu vermuten, der sich eingehend mit dem ältesten Sohn des Präsidenten beschäftigt.

Mahmoud al-Sisi bekleidet bislang eine hohe Position im Geheimdienst. Der Artikel referiert, basierend auf anonymen Quellen, Kritik aus den Reihen des Regimes an al-Sisi und berichtet, dieser solle zurück zum Militärgeheimdienst und dann als Militärattaché an die Botschaft in Moskau versetzt werden, weil er mit seinen bisherigen Aufgaben überfordert sei.

Mada Masr hat nach eigenen Angaben vor mehr als einem Jahr eine Lizenz nach dem neuen Mediengesetzen beantragt, bislang aber keine Antwort der Behörden erhalten. Die Internetseite, auf der Texte auf Arabisch und Englisch erscheinen, ist in Ägypten nicht abrufbar, weil der Staat den Zugang blockiert wie bei Hunderten anderen Seiten. Der Geheimdienst hat längst andere wichtige private Medien über Schattenfirmen aufgekauft und auf Linie gebracht. Unabhängige Berichterstattung ist seither in der ägyptischen Medienlandschaft kaum mehr zu finden. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen sitzen derzeit mindestens 33 Medienschaffende im Land wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis. Die jüngste Verhaftungswelle, bei der mindestens acht Journalisten inhaftiert wurden, begann nach einer Reihe von Demonstrationen am 20. September.

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SZ vom 26.11.2019/qli
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