Ackermann und Cohn-Bendit bei Jauch:"Legal, illegal, scheißegal"

Günther Jauch schickt Daniel Cohn-Bendit gegen Josef Ackermann in die Arena. Dumm nur, dass der Alt-Linke und der Alt-Banker sich bei überraschend vielen Fragen einig sind. Aber nicht, wenn es um Bastian Schweinsteigers Konto geht.

Jannis Brühl

Ackermann fuer europaeischen Bankenrettungsfonds

Josef Ackermann, Ex-Chef der Deutschen Bank (Archiv): Ich bin mit Herrn Steinbrück der Meinung, dass wir auf europäischer Ebene einen Restrukturierungsfonds benötigen, um Banken auch grenzüberschreitend abzuwickeln

(Foto: dapd)

Daniel Cohn-Bendit, der Rote, macht seinem Spitznamen alle Ehre. Er hat einen roten Kopf und fuchtelt wild in der Luft herum. Cohn-Bendit ist wütend, aber nicht auf Josef Ackermann, der ihm gegenübersitzt. Das sollte er allerdings nach dem Willen von Günther Jauchs Redaktion sein, die das Gespräch angekündigt hat als: "Banker trifft Revoluzzer - Ackermann gegen Cohn-Bendit".

Doch jetzt klagt Cohn-Bendit: Die Kanzlerin habe Europa nicht verstanden, niemand glaube an Europa, in Griechenland drohe Faschismus. Außerdem verdiene Bastian Schweinsteiger zu viel. Eigentlich soll Cohn-Bendit hier auf die Banken schimpfen, aber er muss dauernd über Politik reden. Dumm für die Sendungsmacher: So weit auseinander liegen der deutsch-französische Alt-68er, der die grüne Fraktion im Europaparlament anführt, und der ehemalige Vorstandvorsitzende der Deutschen Bank gar nicht.

In den meisten grundlegenden Fragen sind sich die beiden einig. Steinbrück? Guter Kanzlerkandidat. Die EZB? Soll ruhig Staatsanleihen kaufen, Bundesbanker Jens Weidmann liege falsch, wenn er davor warne. Wer ist schuld an der Krise? Politik und Banken, nicht nur eine Seite. Wer soll die nächste Krise verhindern? Die Politik natürlich.

Beifall erntet Cohn-Bendit, als er fordert, den Spitzensteuersatz zu erhöhen: 75 Prozent sollen es in Frankreich unter dem Sozialisten François Hollande werden, in den USA waren es mal 92 Prozent! Der alternde Revoluzzer kämpft nicht mit Steinen, sondern mit dem Steuergesetzbuch.

Zwischendurch streut Cohn-Bendit doch noch ein paar klassenkämpferische Phrasen ein: Die Mentalität in den Banken erinnere ihn manchmal an einen Spruch aus dem Berlin der Siebziger: "Legal, illegal, scheißegal." Und wenn er Ackermann ansehe, erblicke er "das warme, freundliche, teuflische Gesicht des Kapitals" - die Formulierung musste ihm Jauch allerdings in den Mund legen. Ackermann ist amüsiert und grinst. Da geht es wohl für beide Seiten eher um Nostalgie als um Konfrontation. Es ist halt alles nicht mehr so einfach wie früher: Seit kurzem lässt Cohn-Bendit seine Mitgliedschaft bei den französischen Grünen ruhen. Die sind ihm in der Euro-Rettung nicht genug auf Merkel-Kurs und wollen ihrem Fiskalpakt, der die Staaten zum Sparen zwingen soll, das Ja verweigern.

Wo bleibt der Klassenkampf?

Für fünf Minuten wird Cohn-Bendit sogar ganz konkret. Er sagt zwar: "Ich habe von Banken keine Ahnung." Dafür zeigt er sich dann aber ausgesprochen gut informiert und listet für Ackermann das Sündenregister der Banken auf: Libor-Manipulation, Subprime-Krise, Derivate, die niemand versteht.

Was ist mit der Spekulation auf Rohstoffpreise, die Nahrungsmittel für die Armen der Welt unerschwinglich macht? "Wir haben das sofort eingestellt", sagt Ackermann. Dumm nur, dass Jauchs Redaktion eine Minute zuvor die Auskunft seines alten Arbeitgebers präsentiert hat, dass die alten Agrarfonds nach wie vor existieren. Das Geldhaus hat lediglich versprochen, keine neuen mehr aufzulegen.

Und die Finanzprodukte, die keiner versteht, bis er sein Geld damit verloren hat? "Wir haben immer geprüft, dass wir nichts verkaufen, was der Kunde nicht versteht", sagt Ackermann. Was er verschweigt: In den USA wurde auch gegen seine Bank ermittelt. Mindestens ein besonders cleverer Händler aus der Investmentbanking-Abteilung hatte als einer der Ersten begriffen, dass die Immobilienblase platzen würde, und wettete gegen den Markt - zu einem Zeitpunkt, als andere Händler noch Hypothekenpapiere verkauften, die darauf basierten, dass ebenjener Markt endlos weiterwachsen würde. Verantwortlich für das Investment-Geschäft damals: Ackermanns Nachfolger, der heutige Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain. Die Banken wussten möglicherweise mehr, als sie ihren Kunden erzählten.

Dann geht es kurz um Banker-Boni, doch statt konkret zu werden, schweift Cohn-Bendit ab: Überhaupt müsste man auch mal dem Bastian Schweinsteiger und dem Cristiano Ronaldo das Gehalt deckeln. Er fühle sich ja schon schlecht, dass er das Vierfache seiner Frau, einer Lehrerin, verdiene.

Ackermann wendet ein, dass hohe Steuern, wie alle anderen Regulierungsmöglichkeiten, nur mit einer internationalen Regel funktionieren würden, weil sonst die Talente ins Ausland flüchten würden. Ein beliebtes Argument von Regulierungsgegnern, um strikte Vorgaben zu verhindern.

Die zweiteilige Strategie Ackermanns

Cohn-Bendit empört sich, aber an Ackermann selbst bleibt kein Vorwurf hängen. Der weiß, dass er sich in der Öffentlichkeit nichts leisten könnte, was auch nur aus der Entfernung wie Arroganz wirkt - viele verbinden ihn immer noch mit dem Victory-Zeichen, das er am ersten Tag des Prozesses um die Mannesmann-Übernahme zeigte. Er fährt also eine zweiteilige Strategie: Erstens gibt er zu, dass die Banken nicht unschuldig sind. Ackermans Statements würden auch "Occupy-Wall-Street"-Aktivisten unterschreiben: "Es hat Exzesse gegeben." In Irland und Spanien hätten Banken zu leichtfertig Geld verliehen. Das Resultat: Immobilienblasen. Durch die Rettungsaktionen der Regierungen hätten die sich noch mehr verschuldet, was ein Beitrag zur Schuldenkrise gewesen sei. "In Teilen des Investmentbankings" habe es eine "Geldkultur" gegeben, die nicht in Ordnung gewesen sei. Gefahr erkannt.

Zweitens behauptet er, dass die Banken inzwischen dazugelernt hätten und alles nun viel besser reguliert sei. Den Bankenfonds, den Steinbrück will, mit dem die Banken sich selbst retten sollen, damit der Steuerzahler es nicht tun muss, habe er schon vor "sechs, sieben Jahren gefordert". Die Boni-Zahlungen seien ja heruntergefahren worden. Gefahr gebannt?

Die Politik muss also handeln, das sagt sogar Ackermann. So ganz von alleine reguliert sich eine Bank eben nicht. Dazu brauche es koordinierte europäische Aktionen, da sind sich die vermeintlichen Kontrahenten einig. Wo aber ist der Klassenkampf?

Vielleicht fällt er aus, weil beide Talkgäste derselben Klasse angehören, mindestens ideell. Wenn Cohn-Bendit für ein "post-nationales" Europa plädiert und Ackermann die Politiker des Kontinents kritisiert, weil sie sich in nationalem Egoismus nur darum kümmern, daheim wiedergewählt zu werden anstatt den Nachbarn zu helfen, sind sich die beiden ganz nahe: Hier reden zwei Aufsteiger miteinander, für die nationale Grenzen längst nicht mehr gelten, die von Europa immer nur profitiert haben.

Sie leben schon lange in der Zukunft, der viele Politiker nur hinterherhinken. Die Globalisierung hat so unterschiedliche Biografien erfasst wie die des Euro-Träumers, der in zwei Ländern zu Hause ist, und des Bankers, der immer arbeitet, weil immer irgendwo die Börse offen hat. Ehrgeiz und Ökonomie preschen voran, aber Demokratie braucht Zeit.

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