Süddeutsche Zeitung

Absturz von TV-Größen wie Harald Schmidt:Zu lange auf dem Sonnendeck

Schmidt, Gottschalk, Kerner: Das Fernsehen erlebt derzeit einen beispiellosen Untergang ehemaliger Größen. Jetzt zeigt sich, wie fatal es war, dass die Star-Moderatoren weder von den privaten noch von den gebührenfinanzierten Sendern je gefordert wurden. Dem Fernsehen geht damit nicht nur ein brillanter Entertainer wie Harald Schmidt verloren, sondern auch eine feine Zielgruppe.

Alexander Gorkow

Das vorweg, da es ja noch Menschen mit anderen Problemen gibt: Um die Finanzen von Harald Schmidt, Thomas Gottschalk oder Johannes B. Kerner muss man sich nicht sorgen. Auch nicht sorgen muss man sich um die Ausstattung von ARD und ZDF, die acht Milliarden pro Jahr an Gebühren kassieren, und zwar von 2013 an nicht von jedem, der fernsieht, sondern von jedem, der wohnt.

RTL und Pro Sieben Sat 1 müssen sich hingegen im freien Markt behaupten. Hinter Pro Sieben Sat 1 stecken zudem Investoren, die keinen Hehl daraus machen, dass sie kleine Dollarzeichen in den Augen haben. Harald Schmidt wiederum machte noch nie einen Hehl daraus, dass er Menschen hasst, zumal die in seiner Branche. Seine Gastspiele in Seifenopern wie dem "ZDF Traumschiff" sind Ausdruck seines herrlichen Zynismus: Bei diesem perfekten Schwachsinn mitzutun und so auf dem Sonnendeck des Gebührenfernsehens als Urlauber noch ein bisschen was dazuzuverdienen. Als grundsolider Kapitalist wird sich der kluge Schmidt also nicht darüber wundern, dass ihn Sat1 feuert. Höchstens, dass ihn nun eine kleine Melancholie ereilt, vergleichbar der des "Theatermachers" von Thomas Bernhard.

Schmidt raus, Gottschalk in einem famos dilettantischen Vorabenddingsbums, Johannes B. . . . wer? Schuld an den Untergängen tragen die Untergeher selbst. Fatal ist nur, was ihnen Private wie Gebührenfinanzierte mit Luxusverträgen wieder und wieder schriftlich gaben: Dass es als fähiger Entertainer in Deutschland reicht, zu sein statt zu werden. Das war praktisch, so musste niemand eine Idee haben.

Es wäre erstaunlich gewesen, jemand von Sat 1 hätte Schmidt zeitig gefordert. Und wenn? Geht er halt zur ARD. Und wenn dort? Geht er halt zu Sat 1 zurück. Irre, wie lange diese Komödie gutging. So blieb Schmidt stets der Graf Zyn aus den 1990ern, und Gottschalk trabt Abend für Abend durchs Hamsterrad wie ein etwas furchterregender Widergänger des frechen Tommy von der Jugendwelle Bayern 3 aus dem Jahre 1971. Dieselbe spektakulär phantasielose ARD installierte derweil fünf Talkshows pro Woche, in denen hin und wieder fünfmal über dasselbe Thema geredet wird.

Harald Schmidts Zuschauer waren eine Minderheit, aber keine kleine. Sie will verführt und gefordert werden, nicht versorgt. Sie schaut heute via Internet oder DVD die Engländer und Amerikaner: Ricky Gervais, Larry David, Jimmy Kimmel, David Walliams. Es sind dies brillante Entertainer - wie Schmidt. Sie müssen sich aber in einem Markt behaupten, der um Zuschauer kämpft statt sie zu verachten. Sie sind auch Intellektuelle. Ihr eisenharter Auftrag lautet: gute Unterhaltung. Sie geben sich mehr Mühe, viel mehr. Und warum? Weil sie müssen. So einfach ist das.

Das deutsche Fernsehen hat eine feine Zielgruppe verloren, und dies vermutlich für immer. Keine Sorge: Sie wird weiter zahlen. Aber nur, weil sie wohnt.

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SZ vom 30.03.2012/rela/pak/rus
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